Die wichtigsten Tatsachen stellte Dorothea Baumer in einem Interview mit dem Kurator der Ausstellung "Giorgio de Chirico" in der Staatsgalerie Stuttgart, Gerd Roos, zusammen. Gerd Roos ist Vizepräsident des de-Chirico-Archivs "Archivio dell' Arte Metafisica", der Gegeninstitution zur Fondazione Giorgio e Isa de Chirico.
Genannt werden zusätzlich zu dem leicht zu identifizierenden Stil:
1) die Menge eigener Replikate
2) Das Fälscherduo Renato Peretti und Umberto Lambardi fälschten ca. 1000-2000 de Chiricos, von denen nur 400 verhandelt wurden. Der Kunstmarkt war zu Auskünften über die Käufer der Fälschungen nicht bereit. Auch Sammler waren (wie so oft) an der Aufklärung nicht interessiert. Entdeckte Fälschungen verschwanden in Depots oder gingen an Vorbesitzer zurück. "Viele" von ihnen tauchen jetzt wieder im Handel auf.
3) Der Meister selbst datierte zurück, gab echte als falsch aus und revidierte dies wieder. Zudem irrte er sich selbst "sehr oft".
4) Der Meister selbst erstellte oft Gutachten nach s/w-Fotos. Seine Urteile "echt" bzw. "falsch" notierte er auf der Rückseite der Abbildung.
5) Man schob dem Meister doublierte echte Gemälde von ihm unter, die er auf der Rückseite bestätigte, löste die Doublierung auf und hatte damit die echten Werke verdoppelt. Bei Lombardi wurden Dutzende solcher Halbfabrikate gefunden.
6) der geständige Fälscher Peretti machte erfolgreich alle stilistischen Wendungen des Meisters mit, sie kamen "in Echtzeit" auf den Markt. In der sog. Peretti-Liste gab er an, welche Werke des Werkverzeichnisses von ihm waren.
7) Das Gehirn der Vermarktung war nach Roos der Mailänder Galerist Daniele Pescali, der "geschickt echt und falsch mischte".
Ein weiteres Problem sind die historischen italienischen Gutachten: "Es gibt Gutachten von extrem vielen Leuten, praktisch seit den Vierzigerjahren. Sie sind meist nicht namentlich gezeichnet, sie werden nicht veröffentlicht, und Zertifikate sind oft nur vom Präsidenten unterschrieben."
9) Auktionshäuser zitieren oft nur das Werkverzeichnis, ohne die Peretti-Liste zu erwähnen, oder verweisen auf dubiose Gutachten.
10) Die Fondazione erklärt umgekehrt echte Bilder, so die "Piazza d'Italia" von 1933 zu einer Fälschung, obwohl es Beweise für ihre Echtheit gäbe - das Werk hing schon 1933 - lange vor den ersten Fälschungen - in einer Ausstellung in Zürich, der Meister war bei der Ausstellungseröffnung anwesend.
Quelle: SZ v. 14./15.5. 2016