Zu einem Zeitpunkt, an dem der größte US-Präsident aller Zeiten die Menschheit mit seltsamen Erkenntnissen über das Waldland Österreich mit seinen explodierenden Bäumen verwirrt und Menschen, die bei Waldbränden ihr Hab und Gut verloren haben, damit trösten will, dass es bald wieder kühler wird, müssen wir doch noch einmal auf dessen wenigen kulturellen Leistungen zurückblicken.
Wir wissen nämlich jetzt, was der größte Präsident der Vereinigten Staaten 2018 getan hat, als er der erstaunten Menschheit mitteilte, nicht zum amerikanischen Friedhof Belleau Wood im Dept. Aisne-Marne bei Paris kommen zu können, um der gefallenen US-Soldaten zu gedenken, über die er sich im Privaten wie in der Öffentlichkeit mehrfach verächtlich geäußert haben soll ("suckers" und "loosers"). Etwas verkürzt ausgedrückt: "because of the rain", etwas ausführlicher: weil von seinem adäquat genialen Stab als präsidentialer Helikopter nur ein Schonwetter-Heli eingeplant worden war. Eine Autofahrt quer durch Frankreich über 90 km war den Sicherheitsberatern zu riskant.
Also blieb der größte Präsident aller Zeiten für sechs Stunden dort, wo er sich standesgemäß einquartiert hatte, in der Residenz des US-Amerikanischen Botschafters Jamie McCourt in Paris, dem Hôtel de Pontalba im 8. Arrondissement. Das Palais ist derart mit Dekoware und Antiquitäten vollgestopft, dass es normalerweise besichtigt werden kann.

Das Hôtel de Pontalba. Quelle: Wikimedia Commons/Mouloud47
Nun aber kam der größte Präsident, der die Zeit nicht nutzen wollte, um auf Tuchfühlung mit der Pariser Bevölkerung gehen, und sah sich ein bißchen im gut gesicherten Palais um. Und da fiel sein geschultes Auge auf das eine oder andere Objekt, requirierte es und ließ es, im Gegensatz zum eigentlich Zweck dieser Beeindruckungsstrategie für ausländische Botschaften ("Art in Embassies"), "für die USA-Bevölkerung" einpacken und am nächsten Tag in die Airforce One befördern, während der größte Präsident auf einem anderen Gefallenenfriedhof weilte.
Eingepackt wurden:
- eine Büste von Benjamin Franklin
- ein Porträt von Franklin
- und eine Figurengruppe griechischer Gottheiten.
Von Botschafter McCourt soll nicht viel Widerstand gekommen sein. Später witzelte der größte Präsident, dass der Botschafter die Kunstwerke in sechs Jahren zurückbekommen würde, wenn seine zweite Amtszeit ablaufen sei.
Die requirierten Objekte haben im Oval Office ihren Platz gefunden, die griechischen Götter beispielsweise auf der schönen Kamineinfassung. Die Londoner Kunsthändlerin Patricia Wengraf, der die Gruppe gut bekannt ist, wies jedoch darauf hin, dass die Figurengruppe keineswegs so alt ist, wie sie zu sein scheint, sondern vom Neapolitaner Luigi Avolio stammt, der sie als 16. oder 17. Jh. ausgegeben hatte. In einer Ausgabe der "Antiques Roadshow" (das Vorbild unseres "Kunst & Krempels") hatte sie die Figuren bereits als wertlose "20th century fakes of wannabe 17th century sculptures” bezeichnet.[i]
Es ist ja nicht das erste Mal, dass der untrügliche Blick des größten Präsidenten auf Fälschungen hereinfällt. [ii] Auch die Franklin-Büste und das Franklin-Gemälde erwies sich mittlerweile als Nachahmung. Das Original hängt übrigens nur in einer Entfernung von einer Meile von Oval Office in der National Portrait Gallery.

Joseph Siffred Duplessis (1725-1802): Benjamin Franklin,
gemalt in den 1780er Jahren, als Franklin pikannterweise Botschafter Frankreichs in den USA war.
Quelle: Smithsonian
Anmerkungen
[i] Jennifer Jacobs; Nick Wadhams; Katya Kazakina: Trump Ended 2018 France Trip Having Art Loaded on Air Force One.: Bloomberg News v. 6. September 2020.
[ii] Christian Müller-Straten: Dear Mr. President - Re: Your Renoirs. In: Expotime!, issue Oct./Nov 2017, p. 71-74 https://www.museumaktuell.de/home/eTime/ExpoTime!-2017-11/index.html#p=5