Vor- und Unterzeichnungen
Zumeist bleiben sie verborgen, weil sie unter der Farbschicht liegen. Je nach Transparenz der aufliegenden Schichten sind sie dem aufmerksamen Auge mehr oder minder sichtbar. Sind sie von pastoser Farbe abgedeckt, können sie auch mit naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden manchmal nur schwer sichtbar gemacht werden. Unterzeichnungen und Vorzeichnungen sind gelegentlich Bestandteil der Bildwirkung und zum Teil sichtbar und auch so gedacht, im Regelfall waren sie jedoch definitiv nicht für den Betrachter bestimmt. Im Laufe der Zeit können diese Faktoren an der wahrgenommenen Oberfläche mit bildaussagebestimmend werden, ja manchmal sogar diese dominieren, was die Betrachter manchmal irritieren kann.
Bleistift-Vorzeichnung an einem Gemälde von Henri Matisse. Der Künstler hat die Vorzeichnung partiell ganz bewußt stehen lassen, nicht übermalt und ins Bild integriert. Foto: Autor
Jan van Eyck (1390–1441), Hl. Barbara, 1437, Öl auf Holz, 34 x 18,5 cm. Koninklije Musea voor Schone Kunsten van Belgie, Antwerpen. Quelle: Wikimedia Commons/ The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei
Bei Fresken finden wir oft die durch den Malkarton in den feuchten Putz gedrückten Konturen, bei unvollendeten Gemälden, wie z.B. Jan van Eycks (1390–1441) Hl. Barbara ist eine komplette Unterzeichnung sichtbar, die uns bei vollendeten Gemälden verborgen bleibt oder höchstens an wenigen Stellen durchschimmert. Bei Lorenzo Costas (1460–1535) Bildnis eines jungen Mannes finden wir heute sichtbare Pauspunkte an Augen und Nase. Auch diese „Malhilfe“ war zu keiner Zeit für den Betrachter vorgesehen. Was die alten Meister nicht wissen konnten: Durch die natürlich zunehmende Transparenz dünner Ölfarbschichten, welche auch durch zu starke Restaurierungsmaßnahmen zustande kommen – insbesondere durch Reinigungen und Firnisabnahmen, die die Farbschicht dünnen und so transparenter machen –, können im Laufe der Zeit die Untermalung (also Vorzeichnungen, Pauspunkte, Linien, Zahlen bei Rasterübertragungen, Beschriftungen, Hinweise für den Malergehilfen) durch die Farbschicht hindurch scheinen.
Bleistift-Vorzeichnung an einem Gemälde von August Deusser (1871-1942). Foto: Autor
Füller-Vorzeichnung an einem Gemälde von August Deusser (1871-1942). Foto: Autor
Ölfarben-Vorzeichnung an einem Gemälde von August Deusser (1871-1942). Foto: Autor
Der Maltechniker freut sich über diese Bildentstehungshinweise, welche auch in der Vermittlung in der Museumsdidaktik zusehends eine größere Rolle spielen. Für den Fälscher sind diese Konstruktionsspuren der Bildarchitektur schwierig, sie werden eher vermieden (z.B. durch Sperrschichten), verraten sie doch dem versierten Betrachter wie dem Graphologen viel über die (echte) Handschrift des Künstlers, sind einerseits schwierig herzustellen und andererseits meist nur den entsprechend ausgerüsteten Fachleuten sichtbar.
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