Die Sindoneums-Ausstellungen in Deutschland und Österreich
Zum Rang einer Reliquie bei der katholischen Kirche hat es das „Turiner Grabtuch“ oder auch „Sindoneum“ bislang noch nicht gebracht. Erstaunlicherweise sind von dem „Grabtuch Christi“, das als einziges das wahre Ganzkörperbild des Gekreuzigten darstellen soll, zweitausend Jahre auch keine großartigen Wunder oder Heilungen bekanntgeworden, wenngleich es sich hierbei – die Echtheit einmal vorausgesetzt – um die wichtigste Reliquie des Christentums handeln müsste. Die katholische Kirche (Ausnahme: Benedikt XVI.) spricht lediglich von einer Ikone, einem Bild, – aber wovon? Von einem Menschen oder einer Skulptur? Und wenn von einem Menschen: Von wem?
In der "Fälschungserkennung" [i] hatten wir die klassische Auseinandersetzung um das hochverehrte Stück Textil kurz wiedergegeben und die Ergebnisse weltweit unabhängig voneinander erstellter naturwissenschaftlicher Radiokarbon-Untersuchungen (University of Arizona, Oxford University, Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich) vorgestellt: Das Tuch stammt aus dem Nahen Osten, datiert allerdings nicht in die Zeit um Christi Geburt, sondern in die Zeit zwischen 1260 und 1390. Somit aus der hohen Zeit der Reliquienfälschungen und aus den Kreuzzügen.
Seit einigen Jahren wird mit großem Kostenaufwand durch Bücher, Videos und Ausstellungen in ganz Europa versucht, diese Ergebnisse zu bezweifeln und gutgläubige Besucher von der Echtheit zu überzeugen. Man geht von Fehlern in der damaligen Bestimmung aus und behauptet neuere wissenschaftliche Erkenntnisse. [ii] Und es gleich vorweg zu sagen: Unter musealen Gesichtspunkten ist dies keine Ausstellung, denn gezeigt wird (natürlich) weder das Sindoneum aus Turin, noch ein Original von der Kreuzigung oder Grablege Christi. Die Ausstellung beinhaltet Kopien, Rekonstruktionen und vor allem viel Textmaterial mit rhetorisch-spekulativen Argumenten. Selbst die zwei einzigen Originale (Münzen aus der Zeit Christi) sind nur Stellvertreter ihrer Gattung, denn es wird von kirchenzugeneigten Wissenschaftlern behauptet, man habe im Sindoneum Beweise dafür gefunden, daß auf den Augen des „Leichnams“ (von dem jedoch alle erwartbaren Leichenspuren fehlen!) Münzen gelegen seien, die aus der Zeit Christi stammten. Darunter ausgerechnet eine Fehlprägung aus der Pilatuszeit, von der weltweit nur extrem wenige Exemplare bekannt sind. Worum handelt es sich also bei dieser Ausstellung?
Unbestritten ist der historische Jesus, unbestritten seine neue Lehre, seine Reform jüdischer Glaubensvorstellungen. Unbestritten ist auch seine Hinrichtung unter den Römern. Anscheinend braucht der einfache Glaube auch ein Bild des Religionsgründers, auf jeden Fall als Geldeinnahmequelle. Obwohl wir z.B. kein „wahres Bild“ der Gründer des Islam, des Buddhismus oder des Hinduismus haben. Es geht nämlich auch ohne. WEITER durch Klick auf Folgezeile!