Aufmerksam auf die Bilderfabrik Moras wurde ich erstmals durch eine unbeantwortet gebliebene Anfrage vom 22.2.2007 an die demuseumsliste von Christina Orphal vom Stadt- und Regionalmuseum Lübben/Spreewald. Sie plante eine Ausstellung über den Maler Walter Moras, der um 1900 einige sehr qualitätvolle Spreewaldbilder gemalt haben sollte. Wo immer sie suchte, sie fand praktisch keinerlei biographische Angaben. So gab es lediglich spärliche Angaben bei Thieme-Becker, auch weitere Kurzangaben in einschlägigen Lexika.
Es fiel ihr aber auf, daß es zwei Walter Moras gab, die von 1876-1910 (Berlin, Schüler von Hermann Eschke) und 1856-1925 gelebt haben sollen. Alle Gemälde mit dem Signum "W(alter) Moras" – mit oder ohne anschließenden Punkt – werden im Kunsthandel abwechselnd mal dem einen, mal dem anderen zugeordnet, obwohl es deutliche Unterschiede in der Malweise gibt. Jedenfalls war keine Systematik bzw. Unterscheidung zu erkennen. Das Schönste jedoch: die Signaturen waren aus der Sicht des Museums nahezu identisch.
Und schließlich konnte Frau Orphal recherchieren, daß Berliner Walter Moras noch einen Bruder namens Bruno hatte, der ebenfalls den den Spreewald malte...Darüber hinaus existieren noch: Ferdinand Moras (1821-1908), von dem eine Lithographie mit dem Titel „Lager Meigs“ von 1861 bei C.G. Sloan & Company am 4. Juli 1992 versteigert wurde; Otto Max und Paul Albert Moras. Einen „B. Moras“ bot zudem die Janus Galerien (Madison, WI, USA) an.
Nun, es gab anscheinend nicht nur viele Morasse, sie waren auch erstaunlich schöpferisch. Der Kunsthandel lebt noch heute weltweit davon, wovon sich jeder überzeugen kann, der unter Walter Moras googelt. Da finden sich z.B. Moras’sche Werke in Rußland oder den USA im Angebot. Die (seinerzeitige) Beliebtheit bei einem gewissen Publikum der Moras’schen Landschaftsbilder führt sogar dazu, daß die Fa. „Kunstkopie.de“ zwei Motive, die dem Künstler Walter Moras zugeschrieben werden, als vom Käufer skalierbare Kopiemotive anbietet (Winter im Dorf und Idyll am Wasser).
Feststeht soviel: Das Atelier des Berliner Malers Walter Moras in der Belle-Alliance-Straße (heute Mehringdamm) wurde 1898 von dem Maler Maximilian Modde übernommen.1 Der Berliner Maler Walter Moras (1876-1910) malte naturalistisch genau und penibel Landschaften der Berliner Umgebung. Er war Schüler des Landschafts- und Marinemalers Hermann Eschke in Berlin. Seit 1876 beteiligte er sich an den Berliner Akademie-Ausstellungen, und bis 1910, dem Jahr seines Todes, an den Großen Berliner Kunstausstellungen. Nur wenig mehr findet sich bei Thieme-Becker, Bd. 25, 1931, S. 122. Über den anderen W. Moras (1856-1925) ist so gut wie nichts bekannt, er malte vor allem praktisch nicht belebte Dorfszenen, Spreewaldbilder in romantischer Manier, oft kitschig, Wälder, einsame Straßen, Tümpel und Teiche, vor allem aber „impressionistischer“ als sein berühmteres Namensvorbild. Da sich die Signaturen aller mit „W. Moras“ signierten Werke verteufelt ähneln, ist man gut beraten vorsichtig zu sein: Vielleicht nicht nur ein Anonymus verwendete den Namen des bekannten Künstlers, um minderwertige, gefühlsselige Werke auf den Markt zu bringen. Im Falle der vielen Moras-Bilder bleibt nach wie vor unklar, ob es sich hierbei um falsch signierte Künstler- oder Händlersignaturen handelt. Damit schlösse sich dieser Fall an den bekannten Fall des begabten Berliner Graphikers Heinrich Zille an, dessen gleichnamiger Sohn weiterhin munter Werke in derselben Manier unters Volk brachte und genauso signierte wie sein Vater – so jedenfalls die Einschätzung des Galeristen Detlev Rosenbach2 , der im mündlichen Gespräch auch darauf hinwies, daß auch der Neffe von Spitzweg so wie Spitzweg gemalt habe, allerdings aber mit seinem Namen signiert hätte.
Im Falle von Lesser Ury, dessen Signatur auch von zwei Familienmitgliedern stammt, kommen noch Fälschungen von Edelfälschern wie Edgar Mugalla hinzu, der sich nahezu jeden Vorbilds angenommen hatte.3
Lesser Urys Lichtreflexbilder des alten Berlin sind heute noch ein hochbezahlter Renner. Grund genug, gefälscht zu werden, denn soviel Meister hat das Berlin der Zwanziger Jahre nicht hervorgebracht. Und so ist es denn kein Wunder, daß immer wieder Ury-Fälschungen auftauchen. So im Jahr 1995, als zur Ausstellungseröffnung "Zauber des Lichts" im Käthe-Kollwitz-Museum unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Herzog nur durch schnellen Polizeieinsatz verhindert werden konnte, daß auch gefälschte Gemälde gezeigt wurden. So schreibt die Berliner Zeitung vom 15.11.1995: „Die Beamten nahmen bereits am vergangenen Freitag den 46jährigen Berliner Kunsthändler Michael Fredrich fest. Der Verdacht: Betrug. Nach einer gestrigen Mitteilung der Staatsanwaltschaft soll er mit gefälschten Kunstwerken gehandelt haben. Die ‚Werke’ wurden beschlagnahmt. Wer der Maler der Gemälde ist, wissen die Ermittler noch nicht. Eins aber steht fest: Der Fälscher versteht sein Handwerk. Eines seiner Anfertigungen, das mit ‚A. Koester’ signiert ist, hat selbst ein Gutachter aus Reinickendorf als echt eingestuft. Der Wert des Gemäldes wurde von ihm auf 180 000 Mark beziffert. Ein Fälscher-Bild ist Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker jedenfalls erspart geblieben. Im Rahmen der Lesser-Ury-Ausstellung im Käthe-Kollwitz-Museum sollte er das mit ‚Liebermann’ signierte Gemälde ‚Judenviertel in Amsterdam’ erhalten – auch dies eine Fälschung, wie sich jetzt herausstellte. Versichert hatte der beschuldigte Kunsthändler es mit 300 000 Mark. Für weit über den Wert erwarb wohl auch ein Kunstsammler aus Freiburg sechs Bilder. In dem Glauben, es handele sich um Originale von Lesser Ury, hatte der Liebhaber 800 000 Mark an den Berliner Kunsthändler gezahlt. Bisher hat sich zumindest eins als Fälschung herausgestellt. Ob noch weitere Kunstsammler betrogen worden sind, ermittelt nun das Landeskriminalamt.“4
Dem Autor Adolf Donath sind wir schon einmal als Kenner von Fälschungen begegnet5. Ist ein Zufall, daß ausgerechnet dieser Autor zwei Bücher über das Oeuvre von Lesser Ury (Uri) geschrieben hat, und zwar den ersten Band in seinen letzten Lebensjahren und den zweiten relativ früh nach dessen Tod? Es mußte Donath klar geworden sein, wie gefährdet das authentische Werk Urys sein würde.6
Anmerkungen:
1 http://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_Modde
2 Detlev Rosenbach: Heinrich Zille. Das graphische Werk. Hannover Edition Rosenbach 1984
3 http://www.stmwfk.bayern.de/downloads/aviso/2002_1_aviso_32-38.pdf
4 http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1995/1115/lokales/0067/index.html
5 Adolph Donath: Wie Kunstfälscher arbeiten. Prag 1937
6 ders., Lesser Ury. Berlin 1921 und ders.: Der künstlerische Nachlaß von Lesser Ury. Berlin o.J.