Mittwoch, 14. August 2019
Allgemeine Hinweise
In diesem Blog finden Sie wichtige und kompliziertere Begriffe aus der Konservierung-Restaurierung. Sie sind mit dem englisch-deutschen Fachlexikon "KONSERVATIV" in Rot verlinkt. Die Glossarbegriffe sind reich illustriert, von jedermann lesbar und können von Konservatoren-Restauratoren gerne ergänzt werden. Dies geschieht unter Nennung des Copyrightholders. Ein Glossarbegriff kann auch mehrere Einträge (von mehreren AutorInnen) haben. Bitte senden Sie uns gerne Ihre Vorschläge mit Bildern zu unter verlagcms@t-online.de.
Zu KONSERVATIV: https://www.museumaktuell.de/index.php?site=kwb&TM=8
Inhalt
A
B
C
Craquelé
Doublierung
E
F
Farbverunreinigungen
Firnis auf Gemälden
G
Gemälde-Anstückungen
Gemälde-Beschneidungen
Gemäldeumschlagkanten
H
I
J
K
L
Marouflierungen/Marouflage
N
O
P
Parkettierungen
Pentimenti
Q
R
Rentoilierungen
Ritzungen in der Malschicht
Rückseiteninformationen
S
Signaturen
Hinweise auf Staffeleien
Stehengelassene Grundierung
T
U
V
Vor- und Unterzeichnungen
W
X
Y
Z
Zierrahmen
Zirkelpunkte
Mittwoch, 14. August 2019
Durchstoßungen von Gemäldeträgergeweben wurden früher, da die Technik der auf die Schadstelle begrenzten Rissverschweißung erst 1945 durch Kudrjawzew erfunden wurde, durch eine Doublierung behoben. Es wurden dazu verschiedene Klebemittelsysteme verwendet, auch Beimischungen des giftigen Bleiweiß kamen durchaus vor. Für eine Doublierung schnitt man das Gemälde vom Spannrahmen, klebte eine neue Leinwand mit (Mehl-) Kleister und variablen Knochenleimanteilen oder mit Wachs (-Harz-Mischungen) auf die bestehende Originalleinwand und fixierte das Ganze auf neue, nun aber kleinere Spann- oder Keilrahmen.
<Folgt Bebilderung>
Da der Umspann noch am vorhergehenden Spannrahmen war, musste bemaltes Material der Ränder zum Neuaufspannen verwendet werden, das Bildformat wurde kleiner, auch passten die Zierrahmen nun nicht mehr, weshalb zeitlich aktuellere die älteren, originalen Rahmen ersetzten. Die Schnittkanten der alten Gemäldeleinwand wurden abschließend zumeist mit Papierstreifen an den Kantenbereichen überklebt.
Die Doublierung erfolgte zumeist mit der Wärme eines untemperierbaren Bügeleisens, weshalb es öfter zu Verbrennungen und Blasenbildung der Malschicht kam. Leider verschwanden bei der Doublierung sämtliche Rückseitenaufschriften, welche oftmals nur noch bei Redoublierungen oder Röntgenuntersuchungen zutage treten, bzw. sichtbar gemacht werden können.
Heute wird die Doublierung nur noch selten ausgeführt, hauptsächlich dann, wenn die Substanz des Gewebes geschwächt ist. Die Technik der Rissverschweißung und die jetzt sehr häufig praktizierte Anränderung machen diese schonenderen, auf die Fehlstellen begrenzten Behandlungen möglich.
In der Regel wird heute für Doublierungen bei 70 °C der eher reversible Schmelzsiegelkleber Beva 361 als Folie mit Infrarot, Bügeleisen oder (Heiz)-Vakuumtisch eingesetzt.
Die Doublierung ist nicht zu verwechseln mit der Marouflage, bei der das Hinterkleben eines textilen oder auch papierenen Bildträgers mit einem starren Träger (z.B.: Holz, Harzfaser, Sperrholz, Presspan) gemeint ist.
Literatur:
Eipper, P.-B.: Die Restaurierung eines Gemäldes des Rembrandt-Schülers Govaert Flinck „Venus und Amor“. In: MUSEUM AKTUELL 110/2004, S. 28-32, bzw. Celler Chronik 10/ 2002, S. 161-170.
Sonntag, 11. August 2019
Bei einer Rentoilierung wird ein Ölgemälde von einer alten schadhaften Leinwand auf neue übertragen. Man klebt zu diesem Zweck ein Stück feine Leinwand oder starkes, graues Papier mit gewöhnlichem Mehlkleister auf das Gemälde, lässt diesen trocknen, wendet dann das Gemälde und feuchtet die alte Leinwand mit einem Schwamm an, infolgedessen der alte Leim nach und nach aufgelöst wird und die alte Leinwand behutsam abgenommen werden kann. Ist dies geschehen, klebt man mittels eines Kleisters von Mehl und starkem Leimwasser neue Leinwand auf, lässt wieder trocknen, nimmt nun die auf die rechte Seite geklebte Leinwand nach Anfeuchten derselben ab und reinigt das Gemälde vorsichtig. Diese risikoreiche, maximal-invasive Maßnahme wird heute quasi nicht mehr praktiziert. [1]
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
paulbernhardeipper@gmail.com" target="_blank">paulbernhardeipper@gmail.com
http://www.museum-joanneum.at/das-joanneum/unser-betrieb/ueber-das-joanneum/servicefunktionen/museumsservice/restaurierung/dipl-rest-dr-paul-bernhard-eipper.html
[1] http://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=113575
Sonntag, 11. August 2019
Die Doublierung ist nicht zu verwechseln mit der Marouflage, bei der das Hinterkleben eines textilen Bildträgers mit einem starren Träger gemeint ist. Dabei wird eine Malerei auf eine Wand, Decke oder Platte geklebt, oder auf eine Nachbildung des Gewölbes, die anschließend unter der Decke befestigt wird (wie. z. B. das Deckengemälde von Chagall im Zuschauerraum der Pariser Opéra Garnier, welches auf eine künstliche Kuppelschale maroufliert wurde, hinter der das Originalgemälde erhalten ist). In der Restaurierung wurde die Marouflage eingesetzt, um den textilen Bildträger zu stabilisieren, oder um Löcher, Risse, Unebenheiten etc. zu unterkleben um eine glatte Oberfläche zu erhalten. Auch bei Ölskizzen auf Papier und Kartons findet man diesen Vorgang angewendet. Da Marouflagen nur selten rückgängig gemacht werden können, ohne die originale Substanz anzugtreifen, die Reversibilität heute aber eine der Hauptanforderungen an die Restaurierung ist, sollte diese Technik nicht mehr eingesetzt werden. [1]
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
paulbernhardeipper@gmail.com" target="_blank">paulbernhardeipper@gmail.com
http://www.museum-joanneum.at/das-joanneum/unser-betrieb/ueber-das-joanneum/servicefunktionen/museumsservice/restaurierung/dipl-rest-dr-paul-bernhard-eipper.html
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Marouflage
Freitag, 2. März 2018
Im Zierrahmenfalz finden sich oft Hinweise verborgen, die uns Anhaltspunkte zur Entstehung und zum Werkprozess eines Bildes geben. Früher haben mehr Maler als heute ihre Gemäldeleinwände selbst vorbereitet, aufgespannt und grundiert. Im vom Zierrahmen verdeckten Randbereich finden sich Informationen, die Kopisten und Fälscher nicht haben.
Die Grundierung soll den Untergrund glätten, die Textur des Untergrundes dämpfen und eine Verankerung der Malschichten auf dem Träger gewährleisten. Meist haben Künstler die Gewebe erst im aufgespannten Zustand grundiert. Aber es gibt auch vor dem Aufspannen grundierte Leinwände. Oder auch fertig gemalte Gemälde, welche vor dem Aufspannen zunächst auf einen passenden Ausschnitt hin passend geschnitten wurden. Das trifft besonders auf viele Pleinair-Skizzen zu.
Norbertine von Bresslern-Roth, Österreichs bedeutendste Tiermalerin, grundierte Ihre Bilder stets im aufgespannten Zustand selbst, da sich die zuvor ungewaschenen Trägergewebe beim Trocknen der flüssig aufgebrachten Grundierung straff spannen. In der zeitgenössischen Kunst dominieren Acrylgründe, die auf Rollen aber auch in genormten Größen angeboten werden. Meist handelt es sich hier um beschichtete Gewebe, was man daran erkennt, daß die Grundierung auf dem Gewebe aufliegt und das Gewebe nicht durchdringt. Heutige Künstler erwerben zumeist genormte Formate, wo die fertig grundierten Leinwände bereits auf dem Keilrahmen aufgespannt ist.
Eine in ihrem ursprünglichen Zustand erhaltene Umschlagskante ist ein Indiz dafür, daß das Gemälde nicht beschnitten wurde, d.h. in seinen Ausmaßen nicht verändert wurde. Dies war bei früheren Restaurierungsmaßnahmen durchaus üblich; man schnitt Gemälde häufig einfachheitshalber vom Spannrahmen und verkleinerte sie dadurch beim Neuaufspannen, da man ja wieder Material für den Umspann benötigte. Dabei veränderte sich auch das Innenmaß der Zierrahmen, weshalb die originalen Rahmen bei dieser Prozedur zumeist verschwanden und durch modischere Rahmen ersetzt wurden.
Zu den herstellungsgeschichtlich relevanten Prozesse gibt uns der Umschlag eines Gemäldes also genauso wertvolle Hinweise, wie auch zur Geschichte des Gemäldes selbst. Zumeist aber sind diese maltechnischen Details jedoch durch den Zierrahmen für unsere Augen verborgen, weshalb diese beim Anfertigen von Kopien oder Fälschungen zumeist außeracht gelassen werden. Für den Maltechniker sind die Umschläge hingegen extrem wichtig, da diese unsichtbaren Details Geschichten erzählen können, die geradewegs in die Werkstatt des Künstlers führen und darüber hinaus Indizien über die Biografie eines Gemäldes bereithalten.
Abb. 1: Original erhaltener Leinengewebe-Umspann mit ursprünglicher Aufnagelung. Foto: Autor
Abb. 2: Original erhaltener Leinengewebe-Umspann mit ursprünglicher Aufnagelung. Foto: Autor
Abb. 2a: Der Umschlag zeigt die Malkante eines selbstaufgespannten und grundierten Jutegewebes von Norbertine von Bresslern-Roth. Foto: Autor
Abb. 3: Der Umschlag zeigt die Malkante eines verworfenen, andersfarbigen, leicht verkleinerten Gemäldes auf Leinen, das unter einem Gemälde von Norbertine von Bresslern-Roth liegt. Dieses liegt in seiner zweiten Aufnagelung vor. Foto: Autor
Abb. 4: Der Umschlag zeigt die Malkante eines verworfenen, andersfarbigen, leicht verkleinerten Gemäldes auf Leinen, das unter einem Gemälde von Norbertine von Bresslern-Roth liegt. Dieses liegt in seiner zweiten Aufnagelung vor. Foto: Autor
Abb. 5: Der Umschlag zeigt die Malkante eines verworfenen, andersfarbigen, leicht verkleinerten Gemäldes auf Leinen, welches unter einem Gemälde von Norbertine von Bresslern-Roth liegt. Dieses liegt in seiner zweiten Aufnagelung vor. Foto: Autor
Abb. 6: Original erhaltener Umspann mit ursprünglicher Aufnagelung. Das Gemälde wurde nach seiner Fertigstellung beschnitten und vom Künstler aufgespannt . Foto: Autor
Abb. 7: Zeitgenössisches Leinengewebe, das vom Künstler selbst grundiert wurde, nachdem es aufgespannt wurde. Foto: Autor
Abb. 8: Zeitgenössisches Leinengewebe, das vom Künstler selbst grundiert wurde, nachdem es aufgespannt wurde. Foto: Autor
Dienstag, 27. Februar 2018
Zumeist bleiben sie verborgen, weil sie unter der Farbschicht liegen. Je nach Transparenz der aufliegenden Schichten sind sie dem aufmerksamen Auge mehr oder minder sichtbar. Sind sie von pastoser Farbe abgedeckt, können sie auch mit naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden manchmal nur schwer sichtbar gemacht werden. Unterzeichnungen und Vorzeichnungen sind gelegentlich Bestandteil der Bildwirkung und zum Teil sichtbar und auch so gedacht, im Regelfall waren sie jedoch definitiv nicht für den Betrachter bestimmt. Im Laufe der Zeit können diese Faktoren an der wahrgenommenen Oberfläche mit bildaussagebestimmend werden, ja manchmal sogar diese dominieren, was die Betrachter manchmal irritieren kann.
Bleistift-Vorzeichnung an einem Gemälde von Henri Matisse. Der Künstler hat die Vorzeichnung partiell ganz bewußt stehen lassen, nicht übermalt und ins Bild integriert. Foto: Autor
Jan van Eyck (1390–1441), Hl. Barbara, 1437, Öl auf Holz, 34 x 18,5 cm. Koninklije Musea voor Schone Kunsten van Belgie, Antwerpen. Quelle: Wikimedia Commons/ The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei
Bei Fresken finden wir oft die durch den Malkarton in den feuchten Putz gedrückten Konturen, bei unvollendeten Gemälden, wie z.B. Jan van Eycks (1390–1441) Hl. Barbara ist eine komplette Unterzeichnung sichtbar, die uns bei vollendeten Gemälden verborgen bleibt oder höchstens an wenigen Stellen durchschimmert. Bei Lorenzo Costas (1460–1535) Bildnis eines jungen Mannes finden wir heute sichtbare Pauspunkte an Augen und Nase. Auch diese „Malhilfe“ war zu keiner Zeit für den Betrachter vorgesehen. Was die alten Meister nicht wissen konnten: Durch die natürlich zunehmende Transparenz dünner Ölfarbschichten, welche auch durch zu starke Restaurierungsmaßnahmen zustande kommen – insbesondere durch Reinigungen und Firnisabnahmen, die die Farbschicht dünnen und so transparenter machen –, können im Laufe der Zeit die Untermalung (also Vorzeichnungen, Pauspunkte, Linien, Zahlen bei Rasterübertragungen, Beschriftungen, Hinweise für den Malergehilfen) durch die Farbschicht hindurch scheinen.
Bleistift-Vorzeichnung an einem Gemälde von August Deusser (1871-1942). Foto: Autor
Füller-Vorzeichnung an einem Gemälde von August Deusser (1871-1942). Foto: Autor
Ölfarben-Vorzeichnung an einem Gemälde von August Deusser (1871-1942). Foto: Autor
Der Maltechniker freut sich über diese Bildentstehungshinweise, welche auch in der Vermittlung in der Museumsdidaktik zusehends eine größere Rolle spielen. Für den Fälscher sind diese Konstruktionsspuren der Bildarchitektur schwierig, sie werden eher vermieden (z.B. durch Sperrschichten), verraten sie doch dem versierten Betrachter wie dem Graphologen viel über die (echte) Handschrift des Künstlers, sind einerseits schwierig herzustellen und andererseits meist nur den entsprechend ausgerüsteten Fachleuten sichtbar.
Montag, 26. Februar 2018
Viel zu häufig treten die Rückseiten von Gemälden im wahrsten Sinne des Wortes in den Hintergrund. Hinweise zum Material, zur Genese des Werks, zur Restaurierungsgeschichte aber auch wichtige Angaben, wie rückseitige Beschriftungen, Stempel und Aufkleber geben Zeugnis über die Provenienz des Kunstwerkes und den Herstellungsprozeß.
Abb. 1: Nicht vom Künstler aufgebrachter, rückseitiger Galerievermerk „flinck N 17“. Foto: Autor
Abb. 2: Nicht vom Künstler aufgebrachter, rückseitiger Galerievermerk „CaRL LOTH“ . Foto: Autor
Abb. 3: Vom Künstler aufgebrachte, rückseitige Signatur und Datierung „Schmalix 1986“ . Foto: Autor
Abb. 4: Vom Künstler aufgebrachter, rückseitiger Titel, Signatur, Postleitzahl und Ortsangabe „Im Glascafé G. Brettschuh 8454 Arnfels“. Foto: Autor
Abb. 5: Vom Künstler aufgebrachte Signatur und Adresse „LOJEN GERHARD BERGMANNGASSE GRAZ AUSTRIA“ . Foto: Autor
Abb. 6: Vom Künstler aufgebrachte Signatur und Datierung „JOH. FRUH. 62.“ . Foto: Autor
Abb. 7: Nicht vom Künstler aufgebrachter Eigentumsvermerk auf dem textilen Gemäldeträgergewebe. Die Signatur des Künstlers befindet sich auf dem Stützkreuz des Keilrahmens. Foto: Autor
Abb. 8: Vom Künstler aufgebrachte Signatur, Titel, Vermerke, Ausstellungsaufkleber. Foto: Autor
Daneben finden sich häufig Signaturen und Adressen des Künstlers, manches Mal sehen wir verworfene Skizzen oder ganze Gemälde, die abgekratzt, übermalt oder durchgestrichen sein können. Von der Vorderseite her durchgeschlagene Bindemittel oder Firnisse zeichnen sich ab. Aber auch Galeriebeschriftungen und Numerierungen zeigen, wo das Gemälde in der Galerie hing und von wem es stammt. Häufig können Doublierungen diese Hinweise verdecken, welche dann erst nach einer Abnahme der Hinterklebung wieder zum Vorschein kommen. Auch über den Erhaltungszustand des Gemäldes gibt die Rückseite Auskunft.
Es zeigt sich gerade an den Rückseiten, daß Bilder Schicksale haben und es oft sehr aufschlußreich und spannend sein kann, diese zu rekonstruieren, wobei die Rückseite oft mehr hilft als die Vorderseite. Deshalb sollte man immer versuchen, soviel wie möglich dieser Hinweise zu erhalten und diese keinesfalls zu entfernen. Sie sind zumeist auch ein Echtheits- und Authentizitätsindiz. Dem Maltechniker geben Rückseiten Aufschluß über die Gewissenhaftigkeit des Malers und erlauben den Blick in die Werkstatt des Künstlers. Dem Restaurator hilft eine Analyse der Rückseiten, sein Behandlungskonzept auf das Objekt abzustimmen. Fälscher beschäftigen sich im Regelfall kaum mit der Rückseite – schon um weniger Spuren zu hinterlassen, die ihr Werk als Fälschung überführen könnten – was an sich schon wieder ein Hinweis ist. Idealerweise deckt ein Klimaschwankungen puffernder Rückseitenschutz die Rückseite ab, um sie auch vor Verschmutzung, Licht und mechanischen Schäden zu schützen. Um die durch den Schutz verdeckten Informationen sichtbar zu lassen, kann der Einrahmer die Rückseite fotografieren und das Foto auf den Rückseitenschutz kleben.
Montag, 26. Februar 2018
Dem aufmerksamen Betrachter sind mittige, manchmal freigebliebene Partien, manchmal andersfarbig ausgeführte Partien der oberen Kanten von Gemälden schon aufgefallen.
Vor allem bei Feldstaffeleien war es notwendig, die zu bemalenden Holztafeln oder Leinwände gut zu befestigen, um gegen starke Windböen gefeit zu sein.

Dreibeinige Feldstaffelei. Wikimedia Commons/Mrs. Scarborough
Vor allem die dreibeinigen Feldstaffeleien der „Pleinairisten“ hatten tellerartige Feststellschrauben, mit denen man die Leinwände festklemmte. Aber auch sehr große Atelier-Staffeleien verfügten über diese zumeist fein gedrechselten Teller, die sich auf hölzernen Gewindestangen zum Gemälde hin horizontal drehen ließen. Während diese teils recht auslandenden Tellerschrauben heute nicht mehr gebräuchlich sind, gab es und gibt es bis heute auch L-förmige Profile oder auch einfache Leisten mit zwei Metallstiften, die in die obere Leiste des Spann- oder Keilrahmen gerammt werden. Alle diese Befestigungsvorrichtungen hinterlassen mittig Spuren am oberen Gemälderand.

Helga Ancher i modelklassen på Kunstskolen for kvinder, Kunstakademiet i København. Wohl Fotomontage, 1903 04. Erkennbar sind bei einigen Staffeleien die Feststellschrauben. Quelle: Wikimedia Commons/Skagens Museum.

Feststellschraube einer historischen Atelierstaffelei. Quelle unbekannt
Manchmal wurden diese Hinweise beseitigt und manchmal eben nicht, denn die Maler wußten, daß sie den Farbton der unbemalten Stelle nicht sicher wieder treffen würden und ließen diesen frei oder überdeckten ihn meist in einer nur ähnlichen Farbe. Oft wußten die Maler auch darum, wie tief der künftige Zierrahmenfalz in das Gemälde hineingreift und bemalten diese Stellen nicht. Diese Hinweise bleiben somit verborgen, bis ein Gemälde wieder ausgerahmt wird.
Diese Anhaltspunkte zur Entstehung und zum Werkprozess eines Bildes sind dem Maltechniker besonders teuer, zumal sie dem Fälscher verborgen bleiben und er diese spezifischen Informationen normalerweise nicht besitzt. Sie sollten deshalb bei Restaurierungsmaßnahmen sorgsam dokumentiert, aber nicht veröffentlicht und nicht durch Überretuschieren beseitigt werden.
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Detail eines Gemäldes, das auf einer Staffelei gemalt wurde und dabei von einer L-förmigen Leiste fixiert wurde. Foto: Autor


Detail eines Gemäldes, das auf einer Staffelei gemalt und dabei von einer tellerförmigen Feststellschraube fixiert wurde. Foto: Autor
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
paulbernhardeipper@gmail.com
http://www.museum-joanneum.at/das-joanneum/unser-betrieb/ueber-das-joanneum/servicefunktionen/museumsservice/restaurierung/dipl-rest-dr-paul-bernhard-eipper.html
Montag, 19. Februar 2018
Aufmerksamen Betrachtern von Heiligendarstellungen sind sie nicht verborgen geblieben: die sog. Zirkelpunkte. Es handelt sich hier keineswegs um zentrale Ausflugslöcher von Holzschadinsekten, oder um Vandalenakte. Zirkelpunkte sind im Zentrum der Nimben zu finden und zeigen uns heute, wie die Heiligenscheine angelegt wurden. Diese Konstruktionspunkte dienen der Anlage von einfachen aber auch mehrschichtigen Nimben und Trassierungen. Sie wurden zumeist nur übermalt und nicht zuvor gekittet. Der heutige Betrachter fragt sich, warum die früheren Künstler den Einstichpunkt nicht unterlegten, umso der Beschädigung der Grundierung zu entgehen. Vor allem schwer verständlich ist dieser Makel deshalb, da der Zirkelpunkt bei der späteren Ausmalung zumeist im Gesicht der dargestellten Person liegt und somit erkennbar ist. Vielleicht wurde dieser Konstruktionshinweis besonders wertgeschätzt und blieb – den Herstellungsprozess dokumentierend – deshalb erhalten und wurde bewußt nicht verheimlicht.

Zirkelpunkt oberhalb des rechten Auges der Maria. Verkündigung, um 1490, Öl/Tempera/Fichte, Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz, AG Inv.-Nr. 363. Foto.: Autor

Zirkelpunkte im Haaransatz Gottvater und im Zentrum der Weltkugel. Verkündigung, um 1490, Öl/Tempera/Fichte, Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz, AG Inv.-Nr. 363. Foto: Autor

Zirkelpunkt im Zentrum des Nimbus. Fohnsdorfer Altar, um 1530, Öl/Tempera/Holz, Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz, AG Inv.-Nr. 391. Foto: Autor
Zirkelpunkte findet man freilich nicht nur in der sakralen Kunst. Bei vielen Architekturbildern finden sich nicht nur häufig Fluchtpunkte, sondern im Zentrum von gemalten Rundbögen, Nischen, Kuppeln, Kugeln, Oculi, kreisförmigen Gesimsen, etc. zusätzlich die Zirkelpunkte.
Der Maltechniker jedenfalls kann diese offensichtliche Nachlässigkeit nicht erklären, freut sich jedoch über diesen Hinweis, der die praktische Arbeit illustriert. Es hat sich auch in der Vermittlung und Museumsdidaktik gezeigt, daß solche Details von den Besuchern gerne gesucht und gefunden werden, sofern man sie darauf aufmerksam macht.
Der heutige Restaurator sollte diesen „Gruß aus der Werkstatt“ nicht zukitten und nicht überretuschieren.
Literatur
Nicolaus, K., Handbuch der Gemäldekunde, DuMont Buchverlag, Köln 1979, S. 1-267 (S. 87)
Nicolaus, K., Handbuch der Gemäldekunde, DuMont Buchverlag, Köln 2003, S. 1-336 (S. 188)
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
paulbernhardeipper@gmail.com" target="_blank" style="color: rgb(22, 66, 94); text-decoration-line: none; font-family: verdana, arial, helvetica, sans-serif; font-size: 8pt; background-color: rgb(255, 250, 240);">paulbernhardeipper@gmail.com
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Montag, 29. Januar 2018
Dinge, die nicht in die Farbe gehören
In der Malschicht, oder besonders leicht sichtbar: in der obersten Farbschicht, finden sich manchmal Details, welche Anhaltspunkte zur Herstellung eines Bildes geben. Natürlich haben viele Maler ihren Farben bestimmte Zuschlagstoffe wie Streckmittel, Sand, Fasern, Metallflitter etc. absichtlich beigegeben, um ihr Malmaterial für bestimmte Effekte zu modifizieren. Andere unbeabsichtigte „Zugaben“ auf ihren Gemälden haben viele Maler aber gar nicht bemerkt oder aber deren Vorhandensein war ihnen anscheinend einfach egal. Jedenfalls wurden sie nicht entfernt. Und so finden aufmerksame Beobachter von Gemäldeoberflächen manchmal Dinge, die sie staunen lassen oder einfach erheitern. Ganz besonders spannend ist dieser Umstand bei Informationen, die Fälscher, die auf der Basis von Reproduktionen fälschen, nicht sehen oder nicht wissen, weil sie sie nicht bekommen haben oder nicht bekommen können.

Abb. 1: Pinselhaar in der frischen Farbe (Abb.: Autor)
Abb. 2: Fliege an einem Gemälde von Sigmar Polke (Abb.: Autor)
Abb. 3: Birkensamen an einem Gemälde von Sigmar Polke (Abb.: Autor)
Abb. 4: Zeitungsabdruck bei einem Bild von Paul Schad-Rossa (Abb.: Autor)
Erhaltene Einsprengsel geben uns Einblicke, wie und zu welcher Jahreszeit die Objekte entstanden sind: Den Pleinairisten in Südfrankreich fegte der Mistral die Bilder manchmal von der Staffelei herunter und so klebten Lavendelblüten, Gräser und Erde in der Farbe fest. Insekten wurde die klebrige Farbschicht zur tödlichen Falle (wie es Vincent van Gogh’s Olivenbäume, 1889, The Nelson-Atkins Museum of Art, Kansas City, mit einer Heuschrecke in der Farbe belegt). [1] Auch bei dem Großformat von Gustave Caillebottes „Trocknende Wäsche“ (132,5 x 178 cm) finden wir eine Blattknospe in der Farbschicht eingebettet. [2] Solche Belege für tatsächliche Freiluftmalerei gibt es nicht nur bei der Malweibern um 1900 in Bayern. Nahezu allen Malern im Freien ging es so, wie auch den Brücke-Malern, die an den Gestaden der Ostsee malten.
Billige Pinsel verloren Pinselhaare. Zeitungen und Folien ließen an zu frisch verpackten Gemälden Abdrücke an der Oberfläche zurück. Und Andy Warhols Werkstattkatze hinterließ ihre Pfotenabdrücke auf den frischen Siebdrucken. [3] Bei Sigmar Polke finden wir Birkensamen und Insekten in der Farbschicht, ein Beleg, daß der Maler seine stark lösemittelhaltigen Farben draußen oder auch bei geöffnetem Fenster verarbeitete.
Bei Restaurierungsmaßnahmen sollten diese Mitbringsel aus der Werkstatt, Feld, Wald und Wiese nicht entfernt werden. Sie sind ein Indiz für den Werdegang eines Gemäldes und auch ein Echtheitsindiz.
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Abb. 5: Noppenfolienabdruck (Abb.: Autor)
Anders verhält es sich bei Spuren von Verpackungsfehlern wie z. B. Abdrücken von Noppenfolie in der Farboberfläche. Falls möglich, sollten diese nicht werkimmanenten Spuren von einem Restaurator beseitigt werden.
Literatur:
Lewerentz, K., von Saint-George, C., Schaefer, I. & Portsteffen, H.: Forschungen zur Maltechnik des Impressionismus und Postimpressionismus. In: In & out. Projekte aus Forschung und Lehre Institut für Restaurierungs und Konservierungswissenschaft Köln. CICS 2006, S. 73-80
Anmerkungen
[1] “But just go and sit outdoors, painting on the spot itself! Then all sorts of things like the following happen – I must have picked up a good hundred flies and more off the 4 canvases that you’ll be getting, not to mention dust and sand…when one carries them across the heath and through hedgerows for a few hours, the odd branch or two scrapes across them…” Van Gogh Br. tan seinen Bruder Theo 1990: 522 | CL: 418, Nuenen, 14 July 1885,
http://vangoghletters.org/vg/letters/let515/letter.html
[2] Lewerentz, K., von Saint-George, C., Schaefer, I. & Portsteffen, H.: Forschungen zur Maltechnik des Impressionismus und Postimpressionismus. In: In & out. Projekte aus Forschung und Lehre Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft Köln. CICS 2006, S. 80
[3] Z. B. Andy Warhol: „Jackie”, 1965, Siebdruck
Samstag, 27. Februar 2016
Ritzungen in der Malschicht
Aufmerksame Beobachter haben schon gesehen, dass Maler ihre Bilder nicht nur mit dem Pinsel malten. Ritzungen sind ein kleines, aber feines Detail in der Maltechnik. Vor allem bei kleineren Formaten, macht es für den Maler Sinn, eher grafisch aufgefasste Elemente wie Linien und Gesimse mit einem anderen Werkzeug als dem Pinsel zu ziehen. Mit dem Pinsel, sei er auch noch so klein, lassen sich Linien nicht so exakt und gleichbleibend dick ziehen. Diese Linien sehen zwar lebendiger aus, sind aber nicht immer so erwünscht. Akkurater und sauberer gelingen den Malern Linien, wenn sie in die feuchte Farbe geritzt werden. Die bei Ritzungen sich manchmal links und rechts vom Strich aufwerfende Farbe kann zusätzlich interessante lebendige Oberflächenphänomenen erzeugen. Je nach Druck und Werkzeug lassen Ritzungen in der feuchten Farbe die Grundierung oder die Malpappe bzw. -karton durchscheinen und geben so einen zusätzlichen Farbton frei, welcher sonst von der Farbe überdeckt bleibt. Manchmal erfolgen diese Ritzungen mit dem Pinselstiel, Metallstiften, manchmal mit Graphit,- bzw. Bleistift oder Buntstiften. Bei der Verwendung eines färbenden Stiftes können zusätzliche, manchmal sehr reizvolle Effekte erzielt werden.
Oft finden sich auch bei vielen Malern Signaturen geritzt ausgeführt. Sie liegen heute zumeist geschützt unter einer Firnisschicht und können auch im Falle einer nicht fachmännisch ausgeführten Firnisabnahme nicht verloren werden.
Beispiele für Ritzungen in den Gemäldesammlungen des Universalmuseums Joanneum, Graz, finden sich aus allen Zeiten: Im Barock hat beispielsweise mit einem Stift der Maler Linien in die nasse Farbe gezogen und damit die rötliche Grundierung freigelegt. Auch mit verschiedenen kurzborstigen Pinseln kann man in die frisch aufgetragene Farbe malen. So lassen sich Muster anlegen indem die Grundierung wieder zum Durchscheinen gebracht wird.
Egon Schiele hat in seinem Hafen von Triest, Öl auf Karton, 1907, ehem. NG Inv.-Nr. I/1206, 2008 restituiert, mit Bleistift die Linien der Wasserspiegelung gezogen. Bei Schieles Häuserkomplex in Wien, Oberdöbling, 1908, Öl auf farbigem Papier, NG Inv.-Nr. I/1913 hat er Ritzungen mit dem Pinselstielende sowie Konturen mit stumpfem Bleistift in die nasse Ölfarbe ausgeführt. Auch seine Signatur hat er in beiden Fällen mit Bleistift in die nasse Ölfarbe ausgeführt, wie auch bei den Gemälden „Selbstbildnis mit gesenktem Kopf“ 1912, „Kardinal und Nonne“, 1912, „Mutter und Kind III“, 1914, alle drei aus dem Leopold Museum, Wien.
Restauratoren indes haben weniger Freude, wenn Maler verschiedene Medien in einem Objekt kombinieren, zumal manche unterschiedliche Löseparameter haben, welche die Reinigung erschweren oder die Reinigungsergebnisse zumindest limitieren können.

Abb. 1: Süddeutsch, „Die Hochzeit zu Kana“, Öl/Leinen, AG Inv.-Nr. 897, Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz. Detail: die Kanten der Säulen und des Gebälks sind in die feuchte Farbschicht geritzt worden, so dass die rötlich-braune Grundierung durchscheint (Abbildung: Autor).
Abb. 2: Anonym: Anonym, „Stifterin von Göss mit ihren Kindern vor der Madonna“, 17.Jh., Öl/Leinen, AG Inv.-Nr. 1141, Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz. Mit einem kurzborstigen Pinsel wurde in die frisch aufgetragene Farbe ein Muster angelegt: Die rötliche Grundierung scheint durch (Abbildung: Autor).

Abb. 3: SCHIELE, E., „Hafen von Triest“, Öl auf Karton, 25 x 18 cm, entstanden 1907, ehem. NG Inv.-Nr. I/1206, 2008 restituiert. Oben rechts bezeichnet mit Bleistift in die nasse Ölfarbe mit SCHIELE EGON 07 (Abbildung: Wikimedia Commons)
Abb. 4: SCHIELE, E., „Häuserkomplex in Wien, Oberdöbling“, entstanden 1908, Öl/Papier, 23,6 x 18,1 cm, NG Inv.-Nr. I/1913. Unten Mitte monogrammiert mit Bleistift in die nasse Ölfarbe mit E SCH. Detail, (Abbildung: Autor)
Abb. 5: In die nasse Ölfarbe geritzte Signatur bei Leopold Heinrich Voescher (1830–1877), „Landschaft aus dem oberen Etschtal“, um 1870, Öl/Holz, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz. (Abbildung: Autor).

Abb. 6: In die nasse Ölfarbe geritzte Signatur bei Leopold Heinrich Voescher (1830–1877), „Oberkärntner Landschaft“, Öl/Leinwand, 77 x 116 cm, NG Inv.-Nr. I/486, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz (Abbildung: Autor).
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
paulbernhardeipper@gmail.com" target="_blank" style="color: rgb(22, 66, 94); text-decoration: none; font-family: verdana, arial, helvetica, sans-serif; text-align: left; font-size: 8pt; background-color: rgb(255, 250, 240);">paulbernhardeipper@gmail.com
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Mittwoch, 24. Februar 2016
Signaturen
Die Signatur eines Gemäldes authorisiert ein solches durch die Unterschrift des Künstlers. Die Signatur ist der Fetisch aller Kunsthistoriker und Kunsthändler. Ist sie einmal auf dem Gemälde, vertraut man ihr blind. Dieses Vertrauen ist nicht immer angebracht. Da alle Welt der Autorität der Signatur glaubt, wird diese häufig, zumeist mit unlauteren Absichten manipuliert.
In der Regel sind Originale vom Künstler durch Signatur autorisiert, aber auch spätere Zuschreibungen führten zu nachträglich aufgemalten Signaturen.[1] Eine skurrile Art mit der eigenen Signatur umzugehen liefert uns Salvador Dali, welcher leere Leinwände signierte, diese anschließend nicht bemalte und somit die später von anderen Malern auf diese Leinwände gemalten Bilder zu signierten Dalis machte.
Umwidmungen erfolgten manchmal in von zwei oder mehreren Malern gemeinsam genutzten Ateliers (z. B. bei den elsässischen Gebrüdern Eck, wo der eine Bruder des verstorbenen Bruders Bild fertig malte, dessen Signatur übermalte und abschließend selbst signierte). Übermalungen von Namen weniger hoch gehandelter Maler mit Namen höher bezahlter Maler sind bekannt (so wurde z. B. ein Gemälde Jaques Fouquières in einen Joos de Momper umgewidmet)[2], Entfernungen von originalen Signaturen (unabsichtlich erfolgte dieses häufig bei Werken von David Teniers d. J., wo die wertstiftende Signatur zumeist auf dem Schlussfirnis liegt, welche bei einer Abnahme des vergilbten Firnisses sehr oft verloren ging.).[3]
Oft ist der Verlust der Signatur bei einer Restaurierung auch der Anlass, eine solche Signatur zu „rekonstruieren“, was nach dem Urheberrecht verboten ist. Meistens sehen diese nachgemalten Signaturen unsicherer aus als die originalen Signaturen und sind Ursache dafür, dass ein originales Gemälde aberkannt wird, obwohl „nur“ die Signatur unecht ist. Liegen solche neueren Signaturen auf einer durchcraquelierten, weil älteren Oberfläche, ist schon mit dem Mikroskop erkennbar, dass es sich um eine spätere Zutat handelt.[4]
Bei gefälschten Signaturen hingegen handelt es sich nicht immer um bewusste Irreführungen, oft vertraten die Kopisten die Auffassung, dass die Signatur ein gestalterisches Mittel des Malers darstelle und nur durch die sorgsam mitkopierte Signatur eine Kopie vollständig sei. Der Maler Dirk Huisken in Celle, der „Brücke“ nahestehend, fertigte für seinen privaten Ateliergebrauch Kopien verschiedener Maler, um sich mit deren Technik auseinanderzusetzen und versah diese bewusst mit veränderten Signaturen (so wurde z.B. aus dem Namen Picasso „Picolino“), um auch nach seinem Ableben nicht in den Ruf eines Fälschers zu gelangen.
Beispiel: Angebliches Gemälde von Franz von Stuck
Bei einem Gemälde ehemals Franz von Stuck zugeschriebenen Gemälde befindet sich die Signatur an der bei anderen Versionen typischen Stelle. Sie wurde später über dem Schlussfirnis gesetzt. Sie hat eine ungelenke Form und naive Ausführung die ganz sicher nicht von Franz von Stuck stammen kann. Sie ist zudem nicht mit Farben des Bildes gemalt. Man kann davon ausgehen, dass viele Jahre später mit der jetzt vorhandenen Signatur das Gemälde dem Maler des Originals zugeordnet werden sollte, das der Maler der vorliegenden Kopie, schon um sich nicht des Fälschungsverdachtes schuldig zu machen, bewusst unterlassen hatte. Auch ist es denkbar, dass der Maler an der dafür üblichen Stelle der Signatur, lange Jahre nach der Entstehung der Kopie die Signatur bewusst dilettantisch ausgeführte um das bislang fehlende grafische Element der Signatur dem Bild hinzuzufügen, diese aber so gestaltete, dass diese nie und nimmer mit einer echten Signatur verwechselt werden hätte können. Freilich ist auch die Nachsignatur als späterer Fälschungsversuch des Malers oder des Eigentümers oder des Veräußerers denkbar. Prinzipiell zu denken sollte geben, dass die erste Version des Sujets, also die Originalvorlage in der Münchner Pinakothek aus dem Jahr 1893 stammt (die Signatur dort hat kein „v“), Stuck aber erst 1906 geadelt wurde und insofern das „v“ (von) in der Signatur vor 1906 nicht möglich ist.
Beispiel: Schiele-Signatur
Ein Kuriosum stellt Egon Schieles: Stadtende/Häuserbogen III, aus der Neuen Galerie Graz Inv. Nr. I/466, 109,3 x 139,7 cm, Öl auf dünnem, industriell vorgrundiertem, weitmaschigem Leinen in einfacher Leinenbindung, entstanden 1918 und unten Mitte mit „EGON SCHIELE 1918“ bezeichnet, dar. Die Signatur ist mit einem ungewöhnlich breiten Pinsel, etwas unsicher und nicht ganz typisch für Schiele ausgeführt. Im optischen Erscheinungsbild entspricht sie aus der Ferne den bei Schiele üblichen Signaturen. Sie ist in etwas dunklerem Blau als das Konturblau ausgeführt. Die Buchstaben und Zahlen sind im eigentlichen Sine nicht mit den überlieferten Signaturen vergleichbar. In „Das Egon Schiele Buch“ aus dem Jahr 1921 findet sich eine Abbildung von „Stadtende“ ohne Signatur. Ungeklärt ist dadurch, ob das Bild noch ganz frisch im Atelier oder in einer Ausstellung fotografiert wurde und erst danach von Schiele signiert wurde. Auch erscheint möglich, dass der Herausgeber auf dem Foto die bereits bestehende Signatur wegretuschiert hat, weil er sie als die Wiedergabe störend empfand. Warum der Herausgeber dann aber den ebenfalls störenden, benachbarten dunklen Fleck im angrenzenden Haus auf dem Foto stehen ließ, bliebe dann fraglich. Denkbar wäre auch eine Signatur von späterer Hand, aufgebracht beispielsweise als es den Besitzer wechselte, um so die Autorschaft Schieles zu belegen und auch den Wert des Gemäldes durch diese spätere Zuschreibung zu sichern. Belegt ist, dass Schieles Freunde Erwin Osen[6] und Anton Peschka[7] in Schieles Atelier mit Schieles Malmaterial nicht nur eigene Bilder im Stile Schieles malten, sondern auch von Schiele begonnene Arbeiten vervollständigten[8]. Und so kursieren viele als echt beurkundete Schieles – eine Parallele zu Émile Schuffeneckers „Wirken“ in van Goghs Atelier. Jedenfalls ist die Signatur auf „Stadtende“ ab 1925 dokumentiert, als das Gemälde im Schreibzimmer von Wolko Gartenberg fotografiert wurde.[9], Mögliche Zweifel an der Signatur sind jedoch für die Echtheit des Gemäldes nicht von Belang: die beiden unter der Signatur liegenden Portraitskizzen von Otto und Heinrich Benesch belegen, dass es sich um einen echten Schiele handelt.
Wird ein Gemälde in der künstlerischen Manier eines anderen Künstlers ausgeführt[11], gilt es nur als Fälschung mit der Signatur des nachgeahmten Malers, da der Stil an sich keinen urheberrechtlichen Schutz genießt.
Als Beispiel mag hier das unbezeichnete Sonnenblumenbild von Émile Schuffeneckers[12] nach van Gogh dienen, welches über „Christies“ an das Sompo Japan Museum of Art verkauft wurde. Schuffenecker malte nicht nur zur gleichen Zeit im Atelier van Goghs, sondern benutzte auch dessen Malmaterial und signierte mit van Goghs Namen. Somit scheidet der unterschiedliche Zeit- und Materialfaktor zur Beurteilung aus. Stilistische Merkmale von ggf. sich widerstreitenden Malstilen jedoch auszudiskutieren ist nicht immer legitim, da viele Künstler sich verschiedener Malweisen auch innerhalb einer Schaffensperiode bedienten.
Ein weiteres Beispiel liefert Eric Fischl (*1948) von welchem Skizzen in einem Auktionshaus in Berlin auftauchten. Sie wurden ihm zugeschrieben, obwohl er beteuerte, dass diese nicht von ihm waren. Sie stammten von einem unbekannten Studenten, welcher behauptete Eric Fischl habe sie seinem Vater geschenkt. Fischl reiste nun von New York nach Berlin um die Fälschungen aus der Welt zu schaffen, durfte diese aber, nach deutschem Recht, nicht ohne die Zustimmung des Urhebers/Fälschers zerstören. Also brachte Fischl rückseitig einen Vermerk auf, dass diese Skizzen nicht von ihm stammen würden und schuf damit – wohl wissend – erst recht begehrenswerte Sammelstücke.[13]
Bei den meisten Fälschungen handelt es sich jedoch um ein Originalwerk eines Dritten mit einem von diesem verwendeten Signatur eines anderen Künstlers (typisches Delikt), wobei sich der Fälscher nicht an eine bestehende Vorlage halten muss. Hierbei kann man „Fälschung“ nicht mehr mit „Kopie“ verwechseln, solche Fälschungen verdanken sich bekanntlich unlauteren Absichten bzw. niederen Beweggründen wie Habgier.

Abb. 1: Friedrich Gauermann (1807-1862): „Eber, von Wölfen überfallen“, 1844, Öl/Eiche, NG Inv.-Nr. I/497, Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz: Aufgemalte Signatur (Abb. Autor)

Abb. 2: Leopold Heinrich Voescher (1830–1877), „Landschaft aus dem oberen Etschtal“, um 1870, Öl/Holz, Neue Galerie Graz: in die nasse Farbe eingeritzte Signatur. (Abb.: Autor/Universalmuseum Joanneum).

Abb. 3: Signatur aus „Triton und Najade“, Franz von Stuck, nach 1906, Öl auf Pappe, 51 x 40,5 cm, Privatbesitz, Detail: Signatur (Abb.: Autor, Angela Fink)

Abb. 4: Signatur (Detail) aus „Die Sünde“ (Inv. Nr. I/1358) Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz (Abbildung: Autor)

Abb. 5: Egon Schiele: „Stadtende/Häuserbogen III“, 1918, Öl/Leinen, NG Inv.-Nr. I/466 ohne Signatur.

Abb. 6: Egon Schiele: „Stadtende/Häuserbogen III“, 1918, mit Signatur.
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Anmerkungen:
Freitag, 12. Februar 2016
Parkettierungen
Klimabedingtes Arbeiten von Holztafeln führt zum Verwerfen von Holztafeln. Um dies zu unterbinden, half man sich zunächst mit Rückseitenanstrichen, dann mit Einschubleisten und ab dem 17. Jh. mit technisch raffinierten Parkettierungen.
Diese handwerklichen Höchstleistungen nötigen uns heute oft hohen Respekt ab, waren aber nur in wenigen Fällen zielführend und dienten eher den bisweilen hohen Einnahmen der parkettierenden Handwerker. Meistens wurden einseitig bemalte Tafeln vorher gedünnt, um plane Oberflächen zu schaffen, damit das Parkett aufgeleimt werden konnte. Oft wurden Parkettierungen auch an auseinandergesägten, ehemals beidseitig bemalten Tafelgemälden aufgebracht um die dünnen Tafeln zu stabilisieren.
Oft wurden andere Hölzer als das Tafelholz für Parkettierungen verwendet. Diese bewegten sich naturgemäß bei wechselnden Klimata unterschiedlich und führten zu Rissen in den Tafeln. Falls die Gefahr droht dass sich solche Risse bilden, muss ein Parkett durch einen erfahrenen Restaurator abgenommen werden.
Heute wird die historische Parkettierung nicht mehr ausgeführt, der zu hohe Aufwand und der zweifelhafte Nutzen lassen solche Maßnahmen als obsolet erscheinen. Man hat erkannt, dass sich das Arbeiten des Holzes nur bedingt unterbinden lässt und so werden heute nördlich der Alpen höchstens noch Stützsysteme angefertigt, während man südlich der Alpen noch hohe technische Aufwände betreibt.
Vor allem unklimatisierte Räume beschleunigen die Rissbildung in Holztafeln. Ein gleichbleibendes Klima oder saisonal sehr langsam zwischen Sommer und Winterklima fallend bzw. steigendes Klima (18-24° C und 50 +/- 5% relative Luftfeuchte lassen solche Schäden aber eher unmöglich werden.
Parkettierte Tafeln sollten die Einrahmerwerkstatt nie ohne Rückseitenschutz verlassen. Der Rückseitenschutz sollte die Tafel rückseitig abschließen und vor Verschmutzung schützen. Zwischen Rückseitenschutz-Platte und Parkett sollte ein Wollfilz- oder Polyesterfilzstreifen (3mm) als Abstandhalter und Bewegungspuffer aufgebracht werden. Auch der Falz sollte zuvor mit Wollfilz ausgekleidet werden. Die schwimmende Montage gewährleistet eine Fixierung der Tafel, gibt ihr aber auch die nötige Bewegungsfreiheit. Diese „homöopathische Maßnahme“ ist in 90% der Fälle ausreichend. Dennoch sollten Tafelgemälde nie an Aussenwänden hängen.

1. Die aufgedübelte Leiste blockiert die Tafel in ihrer Bewegung: Sie wirft sich einseitig auf (Abb.: Autor).

2. Die Einschubleiste blockiert die Tafel: die Tafel reisst (Abb.: Autor).

3. Parkettierte Tafel mit horizontal beweglichen Einschubleisten (Abb.: Autor).

4. Parkettierte Tafel mit vertikal beweglichen Einschubleisten (Abb.: Autor).

5. Parkettierte Tafel mit vertikal beweglichen Einschubleisten (Abb.: Autor).

6. An dieser Tafel wurde das ursprüngliche Parkett wieder abgenommen und durch ein Klötzchen-Parkett ersetzt.
Die Einschubleisten sind vertikal beweglich (Abb.: Autor).

7. Zum Teil abgeschliffene Schlagmarke (Nachweis des Fertigungsortes der Holztafel, hier St. Lukasgilde Antwerpen) auf der Rückseite eines Tafelgemäldes aus Eiche (Pieter II Breughel (1564 - 1638), St. Georgs-Kirmes, AG Inv. Nr. 59, Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz) (Abb.: Autor).

8. Neueres Holztafelparkett nach Ray Marchant, London (Abb.: Ray Marchant).

9. Einkleben von Wollfilz im Zierrahmenfalz (Abb.: Autor).

10. Rückseitenschutzplatte (MDF, roh, 5 mm) mit Innenpassepartout aus Wollfilz (3 mm), die das Holztafelgemälde
nach hinten abschließt (Abb.: Autor).

11. Rückseitenschutzplatte (MDF, roh, 5 mm) auf Holzleisten, auf Zierrahmen montiert. Wie eine kleine Kiste umschließt dieser Rückseitenschutz die parkettierte Tafel, welche rückseitig über den Zierrahmen hinaus steht (Abb.: Autor).

12. Der Nachfolger des historischen Parketts gleicht eher einer Stützkonstruktion, welche auch bei großen Holztafeln zum Einsatz kommt (Foto: Ray Marchant)
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Literatur
Nicolaus, K.: Du Mont´s Bild-Lexikon zur Gemäldebestimmung, Köln 1982
Donnerstag, 11. Februar 2016
Pentimenti
Schon immer haben Künstler ihre Gemälde während des Malprozesses optimiert und sich über ihre Vorzeichnung und ursprünglich beabsichtigte Ausführung hinweg gesetzt. Pentimenti auf Gemälden können als Echtheitsindiz gelten. Diese späteren Korrekturen belegen wie der Maler mit dem Sujet gerungen hat. Diese gedanklichen Leistungen finden sich bei Kopien oder Fälschungen in der Regel nicht und wenn dann belegen sie zumeist eine andere Handschrift als die des kopierten bzw. gefälschten Künstlers wodurch sie wiederum leichter als Kopien, oder Fälschungen zu entlarven sind.
Das Wort Pentimenti wird vom Italienischen Wort pentimento hergeleitet und bedeutet pentimento, „Reue“. Es ist eine Bezeichnung für die Spuren die erkennen lassen, dass während der Produktion Veränderungen am Bild vorgenommen wurden. Dies stellt eine durchaus nicht ungewöhnliche Arbeitsweise dar. Die Übermalungen werden aufgrund der zunehmenden Transparenz der Farbschichten im Laufe der Alterung erkennbar, man kann sie auch mit Hilfe von Röntgenuntersuchungen nachweisen. Sie stellen eine wesentliche Quelle für die Konservierungs-, Restaurierungs- und Kunstwissenschaften dar, indem sie den Arbeitsprozess eines Künstlers zeigen.
In der Kunstgeschichte begegnen uns einige solcher Beispiele, so auch an Alter und Neuer Galerie am Universalmuseum Joanneum in Graz.
Bei dem Gemälde Giuseppe Passeris: „Maria in der Glorie mit Joachim und Anna“, Öl/Leinen, AG Inv.- Nr. 966, finden wir ein Pentimenti: der Flügel des Engels links zeigte ursprünglich in Richtung Blütenkranz. Der Maler veränderte durch Stellen des Flügels nachträglich die Komposition des Bildes. Durch die stärkere Farbdicke können wir die Umarbeitung heute sehen.
Bei Egon Schieles: Stadtende/Häuserbogen III, Öl/Leinen, NG Inv. Nr. I/466, liegen zwei Portraits unter dem heute sichtbaren Gemälde von 1918. Die Grundarchitektur des Gemäldes, ein „L“-förmiger Bogen, orientiert sich an den Armen des sitzend portraitierten Heinrich Benesch. Zuvor verwendete Schiel das Bild also hochkant, wie auch die durchgeschlagene Portraitskizze auf der Rückseite des Gemäldes zeigt. Bei diesem Gemälde kann man nicht nur von einem Pentimenti sprechen: unter der Stadtansicht liegen zwei Portraitskizzen. Das Gemälde bewegt sich mit diesem maltechnischen Aufbau durch die Portraits zwischen Weiterverwendung zweier verworfener Portraitskizzen, Pentimenti, Vorzeichnung und Übermalung zum bestehenden Bild.
Bei Maria Lassnigs Gemälde, „Vorschlag für eine Plastik“, Öl/Leinen, 1966/67, NG Inv.-Nr. 1533, befindet sich unter dem Gemälde ein teilverworfenes Weiteres. Bevor sie das Gemälde um 180° herumdrehte, versah sie die zu verwerfende Partie mit einem Malhinweis mit Kugelschreiber: „rote Figur wegnehmen“. Nach der Übermalung mit einer nicht ganz deckenden Farbe wurde dieser Gedächtnishinweis heute kopfüber sichtbar.
Pentimenti gewähren Einblicke in die Genese eines Werkes und auch in die Arbeitsweise eines Künstlers. Sie sind wichtige Indizien für den Entstehungsprozess eines Werkes und sollen nicht überretuschiert werden.
Abb.1: Giuseppe Passeri (AG Inv. Nr. 966): „Maria in der Glorie mit Joachim und Anna“. Detail mit einem Pentimenti: der Flügel des Engels links zeigte ursprünglich in Richtung Blütenkranz. (Abb.: Autor).
Abb. 2: Egon Schiele: „Stadtende/Häuserbogen III“, Öl/Leinen, NG Inv.-Nr. I/466 (Abb. Nicolas Lackner, UMJ).
Abb. 3: Egon Schiele, Detail aus „Stadtende/Häuserbogen III“, 1918, gekippt: Das Portrait Heinrich Beneschs wird sichtbar. (Abb. Nicolas Lackner, UMJ).

Abb. 4: Bei Maria Lassnig (1919-2014), „Vorschlag für eine Plastik“, Öl/Leinen, 1966/67, NG Inv.-Nr. 1533 (Abb.: Autor).

Abb. 5: Maria Lassnig, „Vorschlag für eine Plastik“, Detail mit Malhinweis der Künstlerin (heute kopfüber) mit Kugelschreiber: „rote Figur wegnehmen“ (Abb.: Autor).
Anmerkungen:
Donnerstag, 11. Februar 2016
Stehengelassene Grundierung
Die Grundierung hatte immer auch die Aufgaben den Untergrund zu glätten, die Textur des Untergrundes zu dämpfen und eine Verankerung der Malschichten auf dem Träger zu gewährleisten.
Zumeist handelt es sich bei einer Grundierung nördlich der Alpen um einen Leim/Kreidegrund und südlich der Alpen mehrheitlich um Leim/Bologneser Kreidegrund (totgerührter Gips) bisweilen mit (veränderlichen) Öl- und Pigmentanteilen. Die Grundierung muss also nicht immer weiß sein!
Oft haben Maler den Farbton der Grundierung in ihr Bild miteinberechnet. Während wir bei Michelangelo noch partielle umbra eingefärbte Untermalungen auf der Grundierung nur unterhalb von Inkarnatpartien finden, haben wir im Barock mehrheitlich satt rötliche eingefärbte Grundierungsmassen, welche realistische Fleischtöne evozieren. Im Klassizismus bevorzugte man eher kühle, grau eingefärbte Grundierungsmassen, um bei Hauttönen eine vornehme Blässe zu erzeugen. Ab circa 1850, vor allem ab der Einführung der industriell grundierten Leinwände, dominiert der universelle weiße Kreidegrund. Alle diese Gemälde hatten einen Firnisüberzug um die Oberfläche zu schützen aber auch um der Farbe Tiefe zu verleihen.
Sah man seit der Gotik sichtbare Grundierung als maltechnischen Fehler an, wird in den vergangenen 150 Jahren das stehenlassen der Grundierung zum stilbildenden Mittel. Natürlich gibt es immer, neben Ausnahmen von der Regel auch ein nebeneinander von verschiedenen Malauffassungen. Die Impressionisten nutzten das Durchblitzen des weißen Kreidegrund für ihre lichtvollen Landschaften um heiter, luftige Wirkungen von strahlenden Sonnen tagen zu erreichen.
Auch bei Egon Schiele finden wir neben ungefirnissten Oberflächen magere, einfache Kreidegrundschichtaufträge, welche einen noch poröseren Malgrund erzeugen, welchen er teilweise stehen ließ.
Norbertine von Bresslern-Roth, von der wir eine größere Personale am Universalmuseum Joanneum 2016 zeigen, bevorzugt eine freskale Wirkung ihrer Malschichtoberflächen, sie entspricht so durchaus dem Mainstream ihrer Zeit, der auch beispielsweise bei manchen Werken von Otto Dix oder noch bei den Baum- und Kieselgurbildern von Albert König zwischen 1931 und 1940 erkennbar ist. Die grobe Textur des Jutegewebes und der magere, starksaugende Kreidegrund der Grundierung und ihr magerer Farbauftrag unterstreicht diese Wirkung.
In der zeitgenössischen Kunst dominieren die Acrylgründe, die Künstler lassen diese gerne stehen, auch um mit dem Unterschied zwischen glänzenderen Ölfarben und mattem Grund zu spielen.
Für die Restauratoren bergen diese Malweise größere Schwierigkeiten: verschiedene Medien in einem Objekt führen zu verschiedenen Spannungen im Gefüge, unterschiedlicher Verschmutzung, unterschiedlicher Vergilbung. Unterschiedliche Löseparameter können die Reinigung erschweren oder die Reinigungsergebnisse zumindest limitieren, weshalb angeraten wird Gemälde mit stehen gelassenen Acrylgründen zu verglasen.
Werden ungefirnisste, beispielsweise impressionistische Bilder mit stehengelassener Grundierung gefirnisst, saugt sich die Grundierung mit Firnis voll und vergilbt, was den vom Künstler intendierten Eindruck negiert.
Prinzipiell sollten Gemälde nur mit Handschuhen berührt werden: auf den empfindlichen Oberflächen ist Schmutz sofort sichtbar und nur schwer wieder zu entfernen.
Abb. 1: Michelangelo Buonarroti (1475–1564): „Maria mit Jesus- und Johannesknaben (Madonna Manchester)“, unvollendet, um 1497, Tempera/Holz, mit partieller Untermalung bei Inkarnatpartien auf weißer Grundierung (Abb.: National Gallery, London; wikimedia commons).
Abb. 2: Carlo Innocenzo Carlone: „Verherrlichung eines Fürsten“, Öl/Leinen, AG Inv.-Nr. 576, Universalmuseum Joanneum. Detail: die grundierte Leinwand wurde um die Malerei herum nicht bearbeitet. Malkante mit Pinselabstrich (Abb.: Autor/Universalmuseum Joanneum).
Abb. 3: Pietro Damini: „Madonna mit Heiligen“, Öl/Leinen, AG Inv.-Nr. 14, Universalmuseum Joanneum. Detail: Malkante, die grundierte Leinwand wurde um die Malerei herum nicht bearbeitet, der Maler war sich des vorgegebenen Ausschnittes des Zierrahmens bewusst (Abb.: Autor/Universalmuseum Joanneum).

Abb. 4: Franz Sigrist d. Ä.: „Anbetung des Christkindes in der Krippe“, Öl/Leinen, AG Inv.-Nr. 204, Universalmuseum Joanneum. Detail: stehengelassene Grundierung. Rechts vom Kopf des Jesuskindes ist nicht abgedeckte ocker-rötliche Grundierung sichtbar. Hier hat die Grundierung gestalterische Funktion (Abb.: Autor/Universalmuseum Joanneum).
Abb. 5: Unvollendetes Portrait auf weißer Grundierung (Abb. Autor/Universalmuseum Joanneum).

Unvollendetes Portrait auf weißer Grundierung (Abb. Autor/Universalmuseum Joanneum).

Abb. 7: Norbertine von Bresslern-Roth: Tiere der Antarktis, 1937, Öl/Jute, NG Inv.-Nr. 2783: Stehengelassene Grundierung zwischen den einzelnen Farbbereichen. (Abb.: Autor/Universalmuseum Joanneum).

Abb. 8: Zeitgenössisches Gemälde: auf den empfindlichen Oberflächen ist Schmutz sofort sichtbar: Fingerabdrücke am oberen Bildrand (Abb.: Autor/Universalmuseum Joanneum).
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Donnerstag, 11. Februar 2016
Manche Besucher stören sich daran, andere nicht. Der Firnis spaltet seit jeher die Gemüter. Früher war es aber durchaus üblich, allen gemalten Oberflächen einen Überzug zu applizieren. Der Firnisüberzug sollte die Oberfläche nicht nur schützen sondern auch den Farben Tiefe verleihen. Bestimmte Gemälde (alte niederländische-, barocke -) brauchen also, um überhaupt wirken zu können, einen Firnis. Bis zum 19. Jh. wurden in der Regel Leinölfirnisse verwendet. Diese Überzüge vergilbten sehr stark und brachten aufGrund ihrer hohen Affinität zu Ölfarben zum Teil sehr große Probleme bei der Abnahme mit sich, wovon Tausende verputzte Gemälde noch heute Zeugnis ablegen. Nach dem Erscheinen des Buches „Anleitung zur Restauration alter Oelgemälde“, im Jahr 1828, verfasst vom Apotheker Friedrich Gottfried Hermann Lucanus (*3.12.1793-23.5.1872) setzten sich dann die leichter abnehmbaren Harzfirnisse mehrheitlich durch. Aber auch diese Naturharze vergilben mit der Zeit, weshalb auch sie dann und wann abgenommen werden und durch neue ersetzt werden. Der Mattfirnis jedoch ist ein Kind der 70 er Jahre: Er ist ahistiorisch und hat auf älteren Gemälden nichts verloren.
Längst nicht alle Gemälde haben einen Überzug: Begonnen hatte diese Entwicklung 1831 mit Eugène Delacroix’ Gemälde: „Die
Freiheit auf den Barrikaden“, welches er auf dem Pariser Salon ohne Firnis ausgestellt hatte, was ihm als Verstoß gegen maltechnische Regularien und als Ablehnung des akademischen Diktats angelastet wurde. Ihm folgte Anselm Feuerbach mit seiner Weigerung, einen Firnis auf seine Bilder zu applizieren, was ihm den Vorwurf einer „kalkigen“ Malerei einbrachte. Bei Schiele ging die Entwicklung der ungefirnissten Oberfläche noch weiter: Er hat mit mageren, einfachen Kreidegrundschichtaufträgen einen noch viel poröseren Malgrund erzeugt, welchen er teilweise stehen ließ. Pierre Louis Bouvier hatte in seinem Handbuch der Ölmalerei von 1895 ebenfalls einen Firnisverzicht propagiert. Auch bei van Gogh, Deusser, Marc, Macke, Munch, den französischen Impressionisten und Expressionisten etc. ist diese Auffassung vertreten. Nichtsdestotrotz finden sich heute von Restauratorenhand also nach der Entstehung der Gemälde aufgetragene Firnisse auf Werken von Heckel, Kirchner, Nolde, Schmidt-Rottluff etc., während die Leimfarbenmalerei auf Jute von Otto Müller mehrheitlich davon verschont blieb.
Auch die maltechnische Auffassung der bedeutendsten Tiermalerin Österreichs, Norbertine von Bresslern-Roths entspricht ihrer Zeit: Sie lehnt dezidiert einen Firnisauftrag ab, und so sind von ihr nur sehr wenige Gemälde mit einem Firnisauftrag überliefert. Bei allen diesen Gemälden ist der Firnis übrigens eine spätere Zutat, der erst aufgetragen wurde, als sich die Gemälde bereits im Zierrahmen befanden. Das Käthchen von Heilbronn, 1918, nimmt eine Sonderstellung bei Norbertine von Bresslern-Roth ein: Auf einer mager industriell grundierter Leinwand führte sie eine Temperamalerei aus, die sie teilweise überfirnisst. Auf dieser Firnisschicht liegen wiederum partielle matte Temperafarbschichten, welche wiederum einige Ölfarbenhöhungen tragen. Hier spielt und ringt die Malerin mit verschiedenen Glanz- und Mattstufen der Malschichtoberfläche. 2016 zeigt das Universalmuseum Joanneum in Graz eine umfassende Personale dieser Malerin.
Fazit: ungefirnisste Gemälde dürfen also keinesfalls gefirnisst werden. Der Firnisauftrag auf Gemälden erfolgte unter Berufung auf eine weit verbreitete „konservatorische Maßnahme“: In den letzten beiden Jahrhunderten ging man irrigerweise davon aus, dass Bilder mehrere Jahren nach ihrer Entstehung „genährt“ werden müssten, um eine Craquelé-Bildung zu vermeiden. Leider wird diese obsolete Praxis mitunter auch heute noch praktiziert, obwohl längst bekannt ist, dass Klimaschwankungen für die Craquelé-Bildung verantwortlich sind. Manche Restauratoren waren und sind leider bis heute auch beim „Reinigen“ besonders schnell: Sie applizier(t)en einfach auf eine originale, ungefirnisste, verschmutzte Oberfläche einen Firnis, zumeist ohne das Gemälde vorher aus dem Rahmen zu nehmen, und verkauf(t)en das Resultat als „ursprüngliche Frische der Oberfläche“. Bei dieser Maßnahme die künstlerische Ursprungsintention negiert.

Abb. 1: Anonym: „Samson und Dalila“, Öl/Leinen, AG Inv.-Nr. 1195, vor der Restaurierung (Abb. Autor/ Universalmuseum Joanneum).

Abb. 2: Anonym, „Ansicht eines Hafens“, Öl/Lwd., Detail: während der Firnisabnahme, links vom Schiffsmasten nach Firnisabnahme mit Isopropanol (Abb.: Autor).
 
Abb. 3 (a + b): Norbertine von Bresslern-Roth: Detail der ursprünglich erhaltenen ungefirnissten Originaloberfläche (Abb.: Autor/Universalmuseum Joanneum).

Abb. 4 (a): Auf einem ursprünglich ungefirnissten Ölgemälde von Norbertine von Bresslern-Roth erfolgte statt einer Reinigung ein Firnisauftrag im Zierrahmen. Dadurch wurde die Ursprungsintention der Künstlerin verfälscht. (Abb.: Autor).

Abb. 4 (b): Auf einem ursprünglich ungefirnissten Ölgemälde erfolgte statt einer Reinigung ein Firnisauftrag im Zierrahmen. Dadurch wurde die Ursprungsintention des Gemäldes verfälscht. (Abb.: Autor).
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Donnerstag, 11. Februar 2016
Gemälde-Anstückungen
Textile und hölzerne Bildträger wurden manches Mal schon während der Arbeit durch den Künstler selbst oder seiner Werkstatt vergrößert. So lohnt es sich bei Leinwand- und Tafelgemälden genauer hinzusehen. Viele Gemäldeträgerleinwände wurden schon von Beginn an durch Aneinandernähen verschieden großer Leinwandstücke hergestellt. Da die damaligen Webstühle in der Größe limitiert waren, war dies die einzige Möglichkeit größere Flächengebilde zu erzeugen. Diese aneinandergenähten Leinwände sind leicht daran zu erkennen, dass die Grundierungsschicht gleichmäßig die Nähte überzieht und die Komposition über diese Einzelelemente hinweggeht. Prominente Beispiele liefern uns z. B. Jacob Jordaens oder Diego Velasquez liefert uns einige Beispiele hierzu. Auch Holztafelgemälde wurden, wie es dies z.B. bei Peter Paul Rubens vorkommt, um zu größeren Flächen zu kommen, schon immer aus mehreren Tafelteilen zusammengesetzt.
In der Regel sind die Objekte die uns vorliegen, alle schon einmal von Restauratorenhand bearbeitet und dabei „verfälscht“ wurden. So weisen manche Gemälde nicht nur flächige Ergänzungen sondern auch interpretierende Ergänzungen auf. Besonders interessant wird es aber wenn Gemälde, oft lange nach deren Fertigstellung, von Künstlern oder Restauratoren auf eine neue Bildgröße gebracht wurden um z.B. eine symmetrische Hängung mit gleichen Bildformaten zu ermöglichen.
Diese Verfälschungen gehen in zwei Richtungen: einmal wurden Gemälde kleiner gemacht um sie in größeren Zusammenhängen wie z.B. für Ahnengalerien mit lauter gleichen Formaten passend zu machen (man sieht dies an bemalten Arealen im Umschlag) oder einfach weil der ausgewählte neue Zierrahmen zu klein war.
Diese Variante der Manipulation der Originalgröße bezeichnet man mit Beschneidung.
Dabei war häufiger nicht die Angleichung der Bildgröße für eine symmetrische Hängung ausschlaggebend, sondern Beschädigungen. Oft wurden Durchstoßungen des Gewebes dadurch behoben, dass man das Gemälde von Vorne vom Spann- bzw. Keilrahmen abschnitt und auch den beschädigten Teil gleich mit abschnitt da man früher die Technik der Rissverschweißung und des Anränderns noch nicht kannte und meist flächig ohne Umschlag doublierte und neu aufspannte. Dadurch verkleinerte sich das ursprüngliche Format zumindest um den Umspann. Oft verloren Gemälde dadurch auch ihre originale Signatur, welche zumeist in den Randbereiche der Gemälde liegen. Beobachtungen der Mal- und Materialtechnik, vor allem an den Malkanten, sind dabei den Mitteln der Stilkritik objektiv überlegen.
Andererseits wurden Gemälde größer gemacht um sie großzügiger und nicht in einem zu eng bemessenen Rahmen zu präsentieren. Diese Variante der Manipulation der Originalgröße bezeichnet man mit Anstückung. Ob diese original ist oder von späterer Hand durchgeführt wurde, lässt sich zumeist nur durch die Mittel der Stilkritik, der Materialtechnik oder naturwissenschaftlichen Analysen feststellen.
Beide Maßnahmen sind natürlich heute keine gangbare Möglichkeiten mehr. Der Respekt vor dem Kunstwerk verbietet es so zu handeln.
Ist man heute überrascht über soviel Brutalität, so darf man nicht vergessen: in den zurückliegenden Jahrhunderten ging man recht nonchalant mit den Objekten um, selbst Thorvaldsen[3] schlug von den antiken Figuren des Aegineten-Frieses[4] in der Münchener Glyptothek Teile der originalen Skulpturen ab, um seine Ergänzungen mit möglichst geraden Ansatzstellen anzubringen. Die Ergänzungen des berühmten Bildhauers wurden nach dem Krieg wieder abgenommen. Es zeigt sich eindrücklich, dass das Fragment heute ehrlicher und auch „schöner“ empfunden wird als das „vervollständigte“ Kunstwerk.
Wir dürfen also wenn wir Gemälde in der Hand haben, die Summe der erfolgten Restaurierungen auch als Indiz für die Echtheit ansehen. Für wertvoll erachtete Bilder wurden oft behandelt und weisen also eine regelrechte Vita auf: „Habent sua fata pinaces“ – Bilder haben ihre Schicksale. Die zu verschiedenen Zeiten ausgeführten Maßnahmen spiegeln eine Geschichte der zu verschiedenen Zeiten gängigen „Restaurierungsmethoden“ wider, welche nach heutigen Vorstellungen eher Uminterpretationen darstellen.

Abb. 1. Verkleinertes Leinwand-Gemälde: Bemalte Areale befinden sich im Umschlag des Gemäldes. (Abb.: Autor)
Abb. 2. Anstückung eines Leinwand-Gemäldes die Anstückung befindet sich oberhalb des Kopfes der Dargestellten. (Abb.: Autor)

Abb. 3. Anstückung einer Holztafel: Detail: Oberhalb des Kopfes und des Wappens wurde horizontal angestückt. (Abb.: Autor)

Abb. 4. Anstückung einer Holztafel: Detail: Oberhalb des Wappens wurde horizontal ein angestückt. (Abb.: Autor)

Abb. 5. Historische Anstückung an einem Gemälde oben und unten (Mariä Heimsuchung, 16. Jh., Öl/Holz). Die angestückten Teile zeigen sich dunkler als der originale Teil des Gemäldes in der Mitte. Dieser war schon stark verdunkelt und verschmutzt als die Tafel in der damals vorgefundenen Farbigkeit ergänzt wurde. Als dann die erfolgte Firnisabnahme die originale Farbigkeit des Mittelteiles wiederherstellte, zeigten sich die Ergänzungen dunkler (Abb.: Autor)
Anmerkungen
Jacob Jordaens: „Das Bohnenfest“, Bomann Museum, Celle Schloss besteht aus mehreren Leinwandstücken
Diego Velazquez: „Prinz Balthasar zu Pferde“ ist oben gesamt horizontal mit Leinwandstreifen angestückt; „Die Schmiede des Vulkan“ hat an der gesamten linken Seite eine vertikal Anstückung.
Thorvaldsen, Bertel (* 19. November 1770 in Kopenhagen; † 24. März 1844 ebd.) , dänischer Bildhauer. Sohn eines isländischen Holzschnitzers. Mit elf Jahren Schüler der Freischule der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen bei Nicolai Abraham Abildgaard. 1796–1803 Aufenthalt als Stipendiat in Rom. Anerkennung durch Georg Zoëga und Antonio Canova. 1805 berief dieKöniglich Dänische Kunstakademie in Kopenhagen Thorvaldsen zu einem ordentlichen Mitglied und noch im selben Jahr ehrte ihn die Kunstakademie in Bologna mit einer Ehrenmitgliedschaft. Aufträge von Napoléon Bonaparte. 1818 Professor der Modelklasse an der Akademie der Schönen Künste in Kopenhagen. Das Thorvaldsen-Museum Kopenhagen wurde 1846 eingeweiht und beherbergt im Innenhof das Grab Thovaldsens.
In der Glyptothek in München befindet sich die Giebelgruppen der Ägineten vom Aphaiatempel (Ost- und Westgiebel) in Ägina. Über ein Jahrhundert waren sie mit den Ergänzungen nach einer Rekonstruktion Thorvaldsens in München aufgestellt. Thorvaldsens nachklassizistischen Vorstellungen erfolgte Ergänzungen wurden jedoch wieder entfernt, weil diese sich nicht archäologisch halten ließen.
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
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Web: http://www.museum-joanneum.at/das-joanneum/unser-betrieb/ueber-das-joanneum/servicefunktionen/museumsservice/restaurierung/dipl-rest-dr-paul-bernhard-eipper.html
Donnerstag, 11. Februar 2016
Echt alt! Bemerkungen zum Craquelé
Mephistos „[…] denn alles was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht […]“ hat absolute Gültigkeit: Nichts ist von Dauer, wir können den Verfall nur um eine bestimmte Zeit aufhalten. Die natürliche, irreversible Degradation von Kunstwerken (Abbau der Bindemittel, Verfärbungen, Craquelébildung) ist im besten Falle durch günstige klimatische Bedingungen und Schutz vor Umwelteinflüssen zu verlangsamen.
Ein Gemälde setzt sich zumeist aus sehr unterschiedlichen Stoffen wie z.B. Holz, Textile Gewebe, in Knochen- oder Hautleim gebundenem Kreidegrund, Aquarell-, Tempera-, Gouache-, oder Ölfarben, Überzüge aus Ölen oder Harzen zusammen. Das Craquelé bildet sich aufgrund von Klimaschwankungen aus, welche sich unterschiedlich im Gefüge auf die verschiedenen Bestandteile eines Gemäldes auswirken. Polymerisierende Farben verhalten sich spröder als lockerer gebundene Farben, dunkle Bereiche eines Gemäldes erwärmen sich stärker als Helle. Deshalb ist ein gleichmäßiges Klima bei der Aufbewahrung von Kunstwerken so wichtig. Ein Alterssprungnetz (Craquelé), welches das gesamte Objekt überzieht, gilt heute zumeist auch als Altersind iz und vermittelt Authentizität. Es wird vom Betrachter grafisch wahrgenommen und als Farbwert zum Bild hinzu addiert. [1]
Wieso sollte man also heute noch dieses wertvolle Altersindiz wegbügeln wollen, wie man es in den letzten Jahrhunderten immer getan hat? Restaurierungen welche das tatsächliche Alter eines Kunstwerkes negieren, lösen Widersprüche aus: Glänzende Oberflächen kollidieren mit craquelierten Farben, zerschrammte Oberflächen entsprechen nicht der durch auffällige Reinlichkeit suggerierten Gepflegtheit alter Objekte. Bei Restaurierungen ist also nicht nur Fachwissen und Erfahrung, sondern auch hohe Sensibilität des behandelnden Restaurators extrem wichtig.
Nicht immer ist ein Craquele reines Altersindiz: maltechnische Fehler des Künstlers können es bedingen: falls die unter der oberen Farbschicht liegende Farbe nicht durchgetrocknet oder asphalthaltig ist, reißt die obere Farbschicht beim Trocknen und bildet ein Frühschwundcraquelé aus. Bis ins 19. Jh. glaubte man auch, „rissig“ gewordene Ölgemälde „nähren“ zu müssen und „behandelte“ diese mit ungeeigneten, oft weichmachenden Substanzen, welche die – im Barock zumeist rötlich eingefärbten Grundierungen – erweichen und diese bisweilen sichtbar durch das Craquelé austreten lassen.
Für viele Fälschungen spielt das Craquelé eine wichtige Rolle: Aber die natürliche Alterung kann überprüft werden, Falten, Craquelé, Spann- und Keilrahmensprünge, Verschmutzungen oder Schüsselbildungen können nicht leicht nachgeahmt werden. Besondere Vorsicht ist also geboten bei neuen, aber künstlich gealterten Objekten. Mit Knochenleim kann Craquelé erzeugt werden, mit Licht und Wärme kann man Farbveränderungen hervorrufen und im Klimaschrank kann man durch Schwinden und Quellen von Bildträgern Risse in der Malschicht erzeugen.[3] Kopien können auf altem Trägermaterial ausgeführt sein. Liegen beispielsweise Signaturen auf einer durchcraquelierten, weil älteren Oberfläche, ist aber schon mit dem Mikroskop erkennbar, dass es sich bei der Signatur um eine spätere Zutat handeln muss.[4]

Abb. 1: Meister des Kreuzigungstriptychons von St. Florian: „Segnung (Krönung) Mariens“, um 1490, Tempera/Fichtenholz, AG Inv.-Nr. 397. Das Detail zeigt das Craquelé der gotischen Tafel. Die Beschriftung ist ebenfalls durchcraqueliert (Abb.: Nicolaus Lackner / UMJ)

Abb. 2: An einem ungünstigen Klima ausgesetztem Gemälde hat sich ein starkes Craquelé ausgebildet (Abb.: Autor).

Abb. 3: Das Craquelé (Detail aus Abb. 2) hat sich bildprägend entwickelt und dominiert die ursprünglich vom Künstler anders gedachte Oberfläche (Abb.: Autor)

Abb. 4: Joannes de Cordua (1630-1702): “Stillleben mit Totenschädel”, Öl/Leinen, doubliert, AG Inv.-Nr. 563, Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum. Bei dieser Malschicht tritt die erweichte Grundierung in kleinen Tröpfchen durch das Craquelé aus
(Abb.: Autor/Universalmuseum Joanneum)

Wilhelm Thöny (* 10. Februar 1888 in Graz; † 1. Mai 1949 in New York): „Der Fluss“, Öl/Leinen, um 1925/26, Neue Galerie Graz am Universalmuseum Joanneum. Aufgrund eines maltechnischen Fehlers – die unter der oberen Farbschicht liegende Farbe war noch nicht durchgetrocknet – reißt die obere Farbschicht
(Abb.: Autor/Universalmuseum Joanneum).
Anmerkungen:
Bucklow, 1994, S. 107; ders. 1997, S. 129-140; ders. 2012, S. 285-290
Eipper, 2013, S. 16-41
Helmut Qualtingers „Herr Karl“ liefert eine lustige Fälschergeschichte, in der der Protagonist aufgrund einer Ablehnung an der Akademie zum Fälscher wird und ganz bewusst gefälschte Objekte auftauchen lässt, um einen Kunsthistoriker vernichtend bloßzustellen.
Nicolaus, 1973, S. 40-43; ders. Nicolaus, 1988, S. 18-24
Literatur
Bucklow, S.: The classification of craquelure patterns. In: Conservation of Easel Paintings, Routledge, Oxon 2012, S. 285-290
Bucklow, S.: The description of craquelure patterns. In: Studies in conservation (3), Earthscan Ltd., London 1997, S. 129-140
Bucklow, S.: The Effect of Craquelure. In: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung (1), Worms 1994, S. 104–111
Eipper, P.-B.: Restaurierte Kunstwerke - Im Spannungsfeld von Authentizität und Interpretation. In: Handbuch der Oberflächenreinigung (Eipper, P.-B., Hg.) 3. stark erweiterte und aktualisierte Auflage, Verlag Dr. Müller-Straten, München 2013, S. 16-41.
Eipper, P.-B. : Vom Schwinden des Originals- Zur Wahrnehmung von Kunstwerken. In: Restauratorenblätter (32) Eipper, P.-B. & Engel, P. (Hg.). Verlag Dr. Müller-Straten, München 2014, S. 66-157.
Nicolaus, K.: Signaturen - echt oder gefälscht? in Kunst & Antiquitäten (3), 1988, S. 18-24
Nicolaus, K.: Macro- und Infrarot Untersuchung der Signatur von Rembrandts "Männlichen Bildnis" in Braunschweig. In: Maltechnik Restauro (2), 1973, S. 40-43.
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
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http://www.museum-joanneum.at/das-joanneum/unser-betrieb/ueber-das-joanneum/servicefunktionen/museumsservice/restaurierung/dipl-rest-dr-paul-bernhard-eipper.html
Detailliert zum Craquelé auch: Morosz, Ryszard: Das Craquelé - ein "entspanntes Abbild der Lebensgeschichte eines Gemäldes. http://www.museum-aktuell.de/download/d_65.pdf
Dienstag, 7. Juli 2015
Bedeutung des Zierrahmens
Der Zierrahmen dient nicht nur zur optischen Einfassung des Gemäldes und gleichzeitigem Schutz von dessen Kanten. Neben der Halterung für die Aufhängung und die Bleche für die Fixierung des Gemäldes finden sich auf ihm oft wichtige Angaben, wie rückseitige Beschriftungen, Stempel und Aufkleber für den Provenienzforscher. Darüber ist der Zierrahmen für das gerahmte Gemälde als unveräußerbarer Bestandteil des Kunstwerks anzusehen. Seit der Gotik ist allgemein anerkannt, dass die Rahmung zum Bild gehört und auch auf dieses abgestimmt ist.[1] So käme bei gotischen Bildtafeln heute niemand auf die Idee den Rahmen von der Tafel zu trennen.
Zwei Bildbeispiele von Malern, die ihre Werke noch im Zierrahmen fertigstellten:

August Deusser (18710-1942) in seinem Atelier um 1911, vor dem Gemälde Viadukt (Hügellandschaft mit Viadukt) um 1911, DBZ 296/WVD 100 im Zierrahmen (Am Boden Selbstbildnis um 1911) DBZ 11/WVD 99 (Abb.: Aus Drenker-Nagels: August Deusser, Wienand Verlag, Köln 1995, Umschlaginnenseite)

Valentin Serov (1865-1911) malt das Portrait von Isaak Levitan im Zierrahmen fertig, 1893 (Abb. Department of Manuscripts, Tretyakov Gallery, Moskau, in: Tretyakov Gallery Magazine (48) 2015, S.32)
Bei Leinwandgemälden verhält es sich in der Praxis aber leider oft gegenteilig. Manche Maler malen jedoch ihre Bilder im Rahmen fertig, weil sie bemüht sind beide Komponenten aufeinander abzustimmen. Deshalb stellen auch in diesen Fällen Rahmen und Gemälde jeweils eine Einheit dar und dürfen nicht getrennt werden. Nicht nur Vincent van Gogh[2] und James Abbott McNeill Whistler[3] gestalteten ihre Zierrahmen passend zum Bild und legten großen Wert darauf, dass die Rahmung als Bestandteil des Gemäldes anzusehen ist und nicht veräußerbar ist. Wenn aber Einrahmer aus lukrativen Gründen, schadhaft gewordene oder vom Eigentümer als unpassend empfundene Zierrahmen austauschen möchten, sollte diese Ansinnen unterbleiben. Es droht nicht nur ein Wertverlust, sondern auch eine Zerstörung der Einheit Rahmen und Gemälde, was die Authentizität der vom Künstler intendierten Gesamteinheit mindert. Im Falle schadhaft gewordener Zierrahmen ist ein Restaurator gefragt und nicht ein Einrahmer!
Hinweise auf im Rahmen fertig gestellter Gemälde liefern nicht nur Verklebungen von Rahmen und Malkanten des Gemäldes wenn diese zeitnah zusammengefügt wurden, sondern auch die im Falz verborgenen Malkanten. Werden solche Bilder ausgerahmt, sieht man an den Malkanten Belege für die Art des Malvorgangs: Im Falz können sich Reste festgeklebter Farbschichten aus der Zeit der Originaleinrahmung, die Aussage über die ursprüngliche Bildoberfläche geben können, finden.
Aber auch wenn die Maler erst nach der Vollendung einen Rahmen aussuchten, hat das ein Gewicht. Nolde rahmte seine Gemälde einheitlich mit schwarzen unprofilierten Plattenrahmen. Auch bei der Tiermalerin Norbertine von Bresslern-Roth haben sich selbst ausgesuchte, einfache, dezent profilierte bzw. Halbrundstab-Zierrahmen aus Holz erhalten. Die Profile variieren leicht, Halbrundstäbe wechseln zu etwas weniger massiv erscheinenden, an den Außenkanten eingefrästen oder nur gebrochenen Kanten. Die Rahmen sind handwerklich solide gefertigt. Die Aufhängungen sind in die Rahmenschenkel als Aussparungen zur Aufnahme der wandseitigen Haken integriert. Die verwendeten Naturhölzer wurden braun, rötlich braun oder schwarz eingefärbt und manchmal mit ungebleichtem bzw. rötlich eingefärbtem Schellack lackiert. Diese sind den Umständen entsprechend relativ gut und wenig überarbeitet erhalten. Daneben gibt es Rundholz-Zierrahmenleisten, welche die Künstlerin mit deckender Ölfarbe in verschiedenen bildverwandten Grautönen gestrichen hat.
Handelt es sich also um einen historischen Rahmen oder originalen Künstlerrahmen, hat der gesamte Rahmen (Vorder- und Rückseite) einen kulturhistorischen Wert. Jede Manipulation, wie neue Schraubenlöcher für eine verbesserte Einrahmung oder Aufhängung, aufgesetzte Leisten in Schenkelbreite des Rahmens, die Aufschriften überdecken und Provenienz-Aufkleber durchbohren, trägt zur Reduzierung der Rahmensubstanz bei und bedeutet Informationsverlust.
Nicht unerwähnt bleiben sollen noch die teils gravierenden, uminterpretierenden Auswirkungen von (Neu-) Rahmungen präsentierter Bilder in unseren Museen. Umso tragischer ist dort die heute immer noch anzutreffende Unsitte bei Kuratoren und Kunsthistorikern, Zierrahmen auszutauschen und durch geschmäcklerische Neurahmungen zu ersetzen. Auch wenn wir es aus zahllosen Kunstpublikationen gewohnt sind, Bilder immer ohne ihre Zierrahmen abgebildet zu sehen, bewegen wir uns mit dieser Praxis bereits nahe an der Zerstörung der Authentizität eines Kunstwerkes: ich möchte sogar soweit gehen und fragen, ob derartige Umrahmungen durch museale Kuratoren (ebenso wie falsche Rekonstruktionen durch Restauratoren) die Wahrnehmung der Originale verfälschen.

Abb. 1: Ludwig Hans Fischer (1848–1915), Garten vor dem königlichen Schloss Korfu, 1888, Öl/Leinen, Österreichische Galerie Belvedere, Wien, Inv.-Nr. VI/9. Im Randbereich (Zierrahmenfalz) vom Maler stehen gelassene Grundierung und Unterzeichnung. Der Maler hat das Bild im Rahmen fertiggemalt (Abb.: Autor). Weitere Abb.: Eintrag Malkanten

Abb. 2: Ölfarbe am Zierrahmen weist auf eine Fertigstellung des Gemäldes im Rahmen hin (Abb.: Autor).

Abb. 3: Rückseite eines Tafelgemäldes im Zierrahmen. Der Zierrahmen weist Löcher von früheren Befestigungen auf (Abb.: Autor).
Abb. 4: Durchbohrung eines gotischen Rahmens zur Aufnahme der Aufhängung (Abb.: Autor).

Abb. 5: Aufhängung an einem gotischen Rahmen (Abb.: Autor).
 
Abb. 6: Klebeaufhängung auf der Beschriftung des Künstlers (Abb.: Autor).
Abb. 7: Nach Abnahme der Klebeaufhängung sichtbare Beschriftung des Künstlers (Abb.: Autor).
Friedrich Schlegel (*10. März 1772 in Hannover; † 12. Januar 1829 in Dresden): "Jedes Kunstwerk bringt den Rahmen mit auf die Welt..." Fragmente zur Poesie und Literatur (Eichner, H., Hg.) Schöningh Verlag, Paderborn 1991, S. 1-639
Vincent van Gogh (* 30. März 1853 in Groot-Zundert; † 29. Juli 1890 in Auvers-sur-Oise) niederländischer expressionistischer Maler
James Abbott McNeill Whistler (10. Juli 1834 Lowell MA, USA – 17. 7.1903 London, GB) amerikanischer Maler
Dienstag, 7. Juli 2015
Gemälde-Beschneidungen
Es gibt Gemälde , die „angestückt“, d. h. vergrößert wurden, um sie für eine bestimmte Präsentationsform nachträglich passend zu machen. Die Originalgröße eines Kunstwerks kann aber auch in der umgekehrten Richtung manipuliert werden: Mittels sog. Beschneidungen schnitt man Bilder etwa für ausgewählte kleine Zierrahmen zurecht.
Viel häufiger waren allerdings Beschädigungen der Anlass für eine Beschneidung: War eine Bildleinwand etwa durchstoßen, behalf man sich damit, das Gemälde vorderseitig vom Spann- bzw. Keilrahmen abzuschneiden – den beschädigten Teil des Bildes hat man gleich mit abgeschnitten. Dadurch verkleinerte sich das ursprüngliche Format zumindest um den Umspann. Oft verloren Gemälde dadurch auch ihre originale Signatur, welche zumeist in den Randbereichen der Gemälde zu finden ist. Beobachtungen der Mal- und Materialtechnik, vor allem an den Malkanten, sind dabei den Mitteln der Stilkritik objektiv überlegen. Heute würde man eine durchstoßene Leinwand natürlich nicht mehr mit solchen drastischen Maßnahmen „retten“. Derartige Beschädigungen können etwa mittels Riss-verschweißung exakt geschlossen werden.


Verkleinertes Leinwand-Gemälde: Bemalte Areale befinden sich im Umschlag des Gemäldes. (Abb.: Autor/Universalmuseum Joanneum)
Schon in Zusammenhang mit nachträglich vergrößerten Leinwänden haben wir festgestellt, dass Restaurierungs-methoden, die heute undenkbar erscheinen, einen Teil ihrer Geschichte ausmachen, weswegen auch für beschnittene Gemälde gilt: Bilder haben ihre Geschichte! Nur wer genau hinsieht, kann sie sehen.
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
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http://www.museum-joanneum.at/das-joanneum/unser-betrieb/ueber-das-joanneum/servicefunktionen/museumsservice/restaurierung/dipl-rest-dr-paul-bernhard-eipper.html
Montag, 6. Juli 2015
Malkanten
Im Zierrahmenfalz finden sich oft Hinweise verborgen, welche Anhaltspunkte nicht nur auf die ehem. Farbigkeit eines Gemäldes liefern, sondern auch Indizien zur Herstellung und zur Geschichte eines Bildes geben. Viele Maler haben ihre Gemälde im Rahmen fertig gemalt auf das Bild auf den Zierrahmen abzustimmen. Hier finden sich Informationen die der Fälscher nicht hat.
Aber auch Hinweise zur ehemaligen Farbigkeit finden sich dort. Die meisten Farben und Bindemittel verändern sich durch Klima und Lichtbelastung. Der Falz eines Zierrahmen schützt diese Kante und verbirgt dem Kopisten oder Fälscher wichtige Informationen. Der Kopisten oder Fälscher geht immer von der die Farbigkeit des jeweiligen Jetztzeitpunktes aus. Zur Entstehungszeit sah das Objekt aber zumeist anders aus.
 
Abb. 1: Cuno Amiet kopierte 1907 das Gemälde „Zwei Kinder“ von Vincent vanGoghs aus dem Jahre 1890. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Gemälde vanGoghs farblich verändert: Diese Verblassung kopierte Amiet mit. Zum heutigen Zeitpunkt aber hat sich das Gemälde vanGoghs noch weiter verändert: Cuno Amets mit stabileren Farben ausgeführte Kopie legt heute Zeugnis von der originaleren Farbigkeit des Gemäldes van Goghs ab (Abb. aus: Pohlmann, A. & Schäning, A.: „Flying Colours“, Lichtechtheitstests an Künstlerfarben im 18. und 19. Jahrhundert – und heute. In: Restauro (7), 2011, S. 21- 29)


Abb. 2: Johann Georg Platzer (1704–1761), Allegorie auf den Geschmack, Öl auf Kupfer, AG. Inv.-Nr. 855, 38,7 x 24,7 cm, Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum, Graz, Detail links unten (Abb.: Autor)
Eine erhaltene Malkante ist auch ein Indiz dafür, dass das Gemälde nicht beschnitten wurde, d.h. in seinen Ausmaßen nicht verändert wurde. Dies war bei früheren Restaurierungsmaßnahmen durchaus üblich; Man schnitt damals die Gemälde häufig einfachheitshalber vom Spannrahmen und verkleinerte sie dadurch beim Neuaufspannen, da man ja wieder Material für den Umspann benötigte.

Abb. 3: Carlo Innocenzo Carlone: „Verherrlichung eines Fürsten“, Öl/Leinen, AG Inv.-Nr. 576. Detail: die grundierte Leinwand wurde um die Malerei herum nicht bearbeitet. Malkante mit Pinselabstrich Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum, Graz (Abb. Autor)

Abb. 4: Ludwig Hans Fischer (1848–1915), „Garten vor dem königlichen Schloss Korfu“, 1888, Öl/Leinen, Österreichische Galerie Belvedere, Wien. Im Randbereich (Zierrahmenfalz) vom Maler stehen gelassene Grundierung und Vorzeichung. Der Maler hat das Bild im Rahmen fertiggemalt (Abb.: Autor).
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Abb. 5 : Leopold Heinrich Voescher (1830–1877), „Landschaft aus dem oberen Etschtal“, um 1870, Öl/Holz, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz. Malkante rechts oben (Abb.: Autor).

Abb. 6: Paul Schad-Rossa (1862–1916), „Eden“, 1900, Mischtechnik auf Holz, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz. Der Maler hat das Bild im Rahmen zumindest fertig gemalt, worauf nach unten ablaufende, dunkle Farbe hinweist (Abb.: Autor).

Abb. 7: Friedrich Gauermann (1807-1862): „Eber, von Wölfen angefallen“, 1844, Öl/Eiche, NG Inv.-Nr. I/497, Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, vom Zierrahmen verdeckte originale Malkante des hölzernen Bildträgers (Abb.: Autor)
Hinweise zur originalen Oberfläche kann die vom Zierrahmen verdeckte Gemäldekante enthüllen: Bei manchen „Restaurierungsmaßnahmen“ wurde ein Bild, ohne es vorher auszurahmen, im Zierrahmen gefirnisst. Der Firnisauftrag auf diesen Gemälde erfolgte unter Berufung auf eine weit verbreitete „konservatorische Maßnahme“: In den letzten beiden Jahrhunderten ging man irrigerweise davon aus, dass Bilder mehrere Jahren nach ihrer Entstehung „genährt“ werden müssten, um eine Craquelé-Bildung zu vermeiden. Leider wird diese obsolete Praxis mitunter auch heute noch praktiziert, obwohl längst bekannt ist, dass Klimaschwankungen für die Craquelé-Bildung verantwortlich sind. Manche Restauratoren waren und sind leider bis heute auch beim „Reinigen“ besonders schnell: Sie applizier(t)en einfach auf eine originale, ungefirnisste, aber nach Jahren verschmutzte Oberfläche einen Firnis, zumeist ohne das Gemälde vorher aus dem Rahmen zu nehmen, und verkauf(t)en das Resultat als „ursprüngliche Frische der Oberfläche“. Leider wird auch bei dieser Maßnahme die künstlerische Ursprungsintention negiert. Liegt zwischen Auftrag des Firnisses und der Fertigstellung der Malerei viel Zeit, kann man davon ausgehen, dass der Firnis nicht historisch ist, also nicht von Künstler stammt. Glücklicherweise sind später aufgetragene Firnisse zumeist nachweisbar und in der Regel wieder zu entfernen.

Abb. 8: Norbertine von Bresslern-Roth: Tigerkatze, Öl/Leinen, um 1920, NG Inv.-Nr. 265, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz. Firnisauftrag im Zierrahmen auf ursprünglich ungefirnisster Malerei (Abb.: Autor).

Abb. 9: Firnisauftrag im Zierrahmen auf ursprünglich ungefirnisster Malerei (Abb.: Autor).
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
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