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Hinweise auf Staffeleien
Dem aufmerksamen Betrachter sind mittige, manchmal freigebliebene Partien, manchmal andersfarbig ausgeführte Partien der oberen Kanten von Gemälden schon aufgefallen.
Vor allem bei Feldstaffeleien war es notwendig, die zu bemalenden Holztafeln oder Leinwände gut zu befestigen, um gegen starke Windböen gefeit zu sein.
Dreibeinige Feldstaffelei. Wikimedia Commons/Mrs. Scarborough
Vor allem die dreibeinigen Feldstaffeleien der „Pleinairisten“ hatten tellerartige Feststellschrauben, mit denen man die Leinwände festklemmte. Aber auch sehr große Atelier-Staffeleien verfügten über diese zumeist fein gedrechselten Teller, die sich auf hölzernen Gewindestangen zum Gemälde hin horizontal drehen ließen. Während diese teils recht auslandenden Tellerschrauben heute nicht mehr gebräuchlich sind, gab es und gibt es bis heute auch L-förmige Profile oder auch einfache Leisten mit zwei Metallstiften, die in die obere Leiste des Spann- oder Keilrahmen gerammt werden. Alle diese Befestigungsvorrichtungen hinterlassen mittig Spuren am oberen Gemälderand.
Helga Ancher i modelklassen på Kunstskolen for kvinder, Kunstakademiet i København. Wohl Fotomontage, 1903 04. Erkennbar sind bei einigen Staffeleien die Feststellschrauben. Quelle: Wikimedia Commons/Skagens Museum.
Feststellschraube einer historischen Atelierstaffelei. Quelle unbekannt
Manchmal wurden diese Hinweise beseitigt und manchmal eben nicht, denn die Maler wußten, daß sie den Farbton der unbemalten Stelle nicht sicher wieder treffen würden und ließen diesen frei oder überdeckten ihn meist in einer nur ähnlichen Farbe. Oft wußten die Maler auch darum, wie tief der künftige Zierrahmenfalz in das Gemälde hineingreift und bemalten diese Stellen nicht. Diese Hinweise bleiben somit verborgen, bis ein Gemälde wieder ausgerahmt wird.
Diese Anhaltspunkte zur Entstehung und zum Werkprozess eines Bildes sind dem Maltechniker besonders teuer, zumal sie dem Fälscher verborgen bleiben und er diese spezifischen Informationen normalerweise nicht besitzt. Sie sollten deshalb bei Restaurierungsmaßnahmen sorgsam dokumentiert, aber nicht veröffentlicht und nicht durch Überretuschieren beseitigt werden.
Detail eines Gemäldes, das auf einer Staffelei gemalt wurde und dabei von einer L-förmigen Leiste fixiert wurde. Foto: Autor
Detail eines Gemäldes, das auf einer Staffelei gemalt und dabei von einer tellerförmigen Feststellschraube fixiert wurde. Foto: Autor
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
paulbernhardeipper@gmail.com
http://www.museum-joanneum.at/das-joanneum/unser-betrieb/ueber-das-joanneum/servicefunktionen/museumsservice/restaurierung/dipl-rest-dr-paul-bernhard-eipper.html
Zirkelpunkte
Aufmerksamen Betrachtern von Heiligendarstellungen sind sie nicht verborgen geblieben: die sog. Zirkelpunkte. Es handelt sich hier keineswegs um zentrale Ausflugslöcher von Holzschadinsekten, oder um Vandalenakte. Zirkelpunkte sind im Zentrum der Nimben zu finden und zeigen uns heute, wie die Heiligenscheine angelegt wurden. Diese Konstruktionspunkte dienen der Anlage von einfachen aber auch mehrschichtigen Nimben und Trassierungen. Sie wurden zumeist nur übermalt und nicht zuvor gekittet. Der heutige Betrachter fragt sich, warum die früheren Künstler den Einstichpunkt nicht unterlegten, umso der Beschädigung der Grundierung zu entgehen. Vor allem schwer verständlich ist dieser Makel deshalb, da der Zirkelpunkt bei der späteren Ausmalung zumeist im Gesicht der dargestellten Person liegt und somit erkennbar ist. Vielleicht wurde dieser Konstruktionshinweis besonders wertgeschätzt und blieb – den Herstellungsprozess dokumentierend – deshalb erhalten und wurde bewußt nicht verheimlicht.
Zirkelpunkt oberhalb des rechten Auges der Maria. Verkündigung, um 1490, Öl/Tempera/Fichte, Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz, AG Inv.-Nr. 363. Foto.: Autor
Zirkelpunkte im Haaransatz Gottvater und im Zentrum der Weltkugel. Verkündigung, um 1490, Öl/Tempera/Fichte, Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz, AG Inv.-Nr. 363. Foto: Autor
Zirkelpunkt im Zentrum des Nimbus. Fohnsdorfer Altar, um 1530, Öl/Tempera/Holz, Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz, AG Inv.-Nr. 391. Foto: Autor
Zirkelpunkte findet man freilich nicht nur in der sakralen Kunst. Bei vielen Architekturbildern finden sich nicht nur häufig Fluchtpunkte, sondern im Zentrum von gemalten Rundbögen, Nischen, Kuppeln, Kugeln, Oculi, kreisförmigen Gesimsen, etc. zusätzlich die Zirkelpunkte.
Der Maltechniker jedenfalls kann diese offensichtliche Nachlässigkeit nicht erklären, freut sich jedoch über diesen Hinweis, der die praktische Arbeit illustriert. Es hat sich auch in der Vermittlung und Museumsdidaktik gezeigt, daß solche Details von den Besuchern gerne gesucht und gefunden werden, sofern man sie darauf aufmerksam macht.
Der heutige Restaurator sollte diesen „Gruß aus der Werkstatt“ nicht zukitten und nicht überretuschieren.
Literatur
Nicolaus, K., Handbuch der Gemäldekunde, DuMont Buchverlag, Köln 1979, S. 1-267 (S. 87)
Nicolaus, K., Handbuch der Gemäldekunde, DuMont Buchverlag, Köln 2003, S. 1-336 (S. 188)
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
paulbernhardeipper@gmail.com
http://www.museum-joanneum.at/das-joanneum/unser-betrieb/ueber-das-joanneum/servicefunktionen/museumsservice/restaurierung/dipl-rest-dr-paul-bernhard-eipper.html
Farbverunreinigungen
Abb. 5: Noppenfolienabdruck (Abb.: Autor)
Anmerkungen
http://vangoghletters.org/vg/letters/let515/letter.html
[2] Lewerentz, K., von Saint-George, C., Schaefer, I. & Portsteffen, H.: Forschungen zur Maltechnik des Impressionismus und Postimpressionismus. In: In & out. Projekte aus Forschung und Lehre Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft Köln. CICS 2006, S. 80
[3] Z. B. Andy Warhol: „Jackie”, 1965, Siebdruck