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Ritzungen in der Malschicht

Ritzungen in der Malschicht

Aufmerksame Beobachter haben schon gesehen, dass Maler ihre Bilder nicht nur mit dem Pinsel malten. Ritzungen sind ein kleines, aber feines Detail in der Maltechnik. Vor allem bei kleineren Formaten, macht es für den Maler Sinn, eher grafisch aufgefasste Elemente wie Linien und Gesimse mit einem anderen Werkzeug als dem Pinsel zu ziehen. Mit dem Pinsel, sei er auch noch so klein, lassen sich Linien nicht so exakt und gleichbleibend dick ziehen. Diese Linien sehen zwar lebendiger aus, sind aber nicht immer so erwünscht. Akkurater und sauberer gelingen den Malern Linien, wenn sie in die feuchte Farbe geritzt werden. Die bei Ritzungen sich manchmal links und rechts vom Strich aufwerfende Farbe kann zusätzlich interessante lebendige Oberflächenphänomenen erzeugen. Je nach Druck und Werkzeug lassen Ritzungen in der feuchten Farbe die Grundierung oder die Malpappe bzw. -karton durchscheinen und geben so einen zusätzlichen Farbton frei, welcher sonst von der Farbe überdeckt bleibt. Manchmal erfolgen diese Ritzungen mit dem Pinselstiel, Metallstiften, manchmal mit Graphit,- bzw. Bleistift oder Buntstiften. Bei der Verwendung eines färbenden Stiftes können zusätzliche, manchmal sehr reizvolle Effekte erzielt werden.

Oft finden sich auch bei vielen Malern Signaturen geritzt ausgeführt. Sie liegen heute zumeist geschützt unter einer Firnisschicht und können auch im Falle einer nicht fachmännisch ausgeführten Firnisabnahme nicht verloren werden.

Beispiele für Ritzungen in den Gemäldesammlungen des Universalmuseums Joanneum, Graz, finden sich aus allen Zeiten: Im Barock hat beispielsweise mit einem Stift der Maler Linien in die nasse Farbe gezogen und damit die rötliche Grundierung freigelegt. Auch mit verschiedenen kurzborstigen Pinseln kann man in die frisch aufgetragene Farbe malen. So lassen sich Muster anlegen indem die Grundierung wieder zum Durchscheinen gebracht wird. 

Egon Schiele hat in seinem Hafen von Triest, Öl auf Karton, 1907, ehem. NG Inv.-Nr. I/1206, 2008 restituiert, mit Bleistift die Linien der Wasserspiegelung gezogen. Bei Schieles Häuserkomplex in Wien, Oberdöbling,  1908, Öl auf farbigem Papier, NG Inv.-Nr. I/1913 hat er Ritzungen mit dem Pinselstielende sowie Konturen mit stumpfem Bleistift in die nasse Ölfarbe ausgeführt. Auch seine Signatur hat er in beiden Fällen mit Bleistift in die nasse Ölfarbe ausgeführt, wie auch bei den  Gemälden „Selbstbildnis mit gesenktem Kopf“ 1912, „Kardinal und Nonne“, 1912, „Mutter und Kind III“, 1914, alle drei aus dem Leopold Museum, Wien.

Restauratoren indes haben weniger Freude, wenn Maler verschiedene Medien in einem Objekt kombinieren, zumal manche unterschiedliche Löseparameter haben, welche die Reinigung erschweren oder die Reinigungsergebnisse zumindest limitieren können.

 

Abb. 1: Süddeutsch, „Die Hochzeit zu Kana“, Öl/Leinen, AG Inv.-Nr. 897, Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz. Detail: die Kanten der Säulen und des Gebälks sind in die feuchte Farbschicht geritzt worden, so dass die rötlich-braune Grundierung durchscheint (Abbildung: Autor).

 

Abb. 2: Anonym: Anonym, „Stifterin von Göss mit ihren Kindern vor der Madonna“, 17.Jh., Öl/Leinen, AG Inv.-Nr. 1141, Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz. Mit einem kurzborstigen Pinsel wurde in die frisch aufgetragene Farbe ein Muster angelegt: Die rötliche Grundierung  scheint durch (Abbildung: Autor).

 

Abb. 3: SCHIELE, E., „Hafen von Triest“, Öl auf Karton, 25 x 18 cm, entstanden 1907, ehem. NG Inv.-Nr. I/1206, 2008 restituiert. Oben rechts bezeichnet mit Bleistift in die nasse Ölfarbe mit SCHIELE EGON 07 (Abbildung: Wikimedia Commons)

 

Abb. 4: SCHIELE, E., „Häuserkomplex in Wien, Oberdöbling“, entstanden 1908, Öl/Papier, 23,6 x 18,1 cm, NG Inv.-Nr. I/1913. Unten Mitte monogrammiert mit Bleistift in die nasse Ölfarbe mit E SCH. Detail, (Abbildung: Autor)

 

Abb. 5: In die nasse Ölfarbe geritzte Signatur bei Leopold Heinrich Voescher (1830–1877), „Landschaft aus dem oberen Etschtal“, um 1870, Öl/Holz, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz. (Abbildung: Autor).

 

Abb. 6: In die nasse Ölfarbe geritzte Signatur bei Leopold Heinrich Voescher (1830–1877), „Oberkärntner Landschaft“, Öl/Leinwand, 77 x 116 cm, NG Inv.-Nr. I/486, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz (Abbildung: Autor).

Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
paulbernhardeipper@gmail.com
http://www.museum-joanneum.at/das-joanneum/unser-betrieb/ueber-das-joanneum/servicefunktionen/museumsservice/restaurierung/dipl-rest-dr-paul-bernhard-eipper.html

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