Gemälde-Anstückungen
Gemälde-Anstückungen
Textile und hölzerne Bildträger wurden manches Mal schon während der Arbeit durch den Künstler selbst oder seiner Werkstatt vergrößert. So lohnt es sich bei Leinwand- und Tafelgemälden genauer hinzusehen. Viele Gemäldeträgerleinwände wurden schon von Beginn an durch Aneinandernähen verschieden großer Leinwandstücke hergestellt. Da die damaligen Webstühle in der Größe limitiert waren, war dies die einzige Möglichkeit größere Flächengebilde zu erzeugen. Diese aneinandergenähten Leinwände sind leicht daran zu erkennen, dass die Grundierungsschicht gleichmäßig die Nähte überzieht und die Komposition über diese Einzelelemente hinweggeht. Prominente Beispiele liefern uns z. B. Jacob Jordaens[1] oder Diego Velasquez[2] liefert uns einige Beispiele hierzu. Auch Holztafelgemälde wurden, wie es dies z.B. bei Peter Paul Rubens vorkommt, um zu größeren Flächen zu kommen, schon immer aus mehreren Tafelteilen zusammengesetzt.
In der Regel sind die Objekte die uns vorliegen, alle schon einmal von Restauratorenhand bearbeitet und dabei „verfälscht“ wurden. So weisen manche Gemälde nicht nur flächige Ergänzungen sondern auch interpretierende Ergänzungen auf. Besonders interessant wird es aber wenn Gemälde, oft lange nach deren Fertigstellung, von Künstlern oder Restauratoren auf eine neue Bildgröße gebracht wurden um z.B. eine symmetrische Hängung mit gleichen Bildformaten zu ermöglichen.
Diese Verfälschungen gehen in zwei Richtungen: einmal wurden Gemälde kleiner gemacht um sie in größeren Zusammenhängen wie z.B. für Ahnengalerien mit lauter gleichen Formaten passend zu machen (man sieht dies an bemalten Arealen im Umschlag) oder einfach weil der ausgewählte neue Zierrahmen zu klein war.
Diese Variante der Manipulation der Originalgröße bezeichnet man mit Beschneidung.
Dabei war häufiger nicht die Angleichung der Bildgröße für eine symmetrische Hängung ausschlaggebend, sondern Beschädigungen. Oft wurden Durchstoßungen des Gewebes dadurch behoben, dass man das Gemälde von Vorne vom Spann- bzw. Keilrahmen abschnitt und auch den beschädigten Teil gleich mit abschnitt da man früher die Technik der Rissverschweißung und des Anränderns noch nicht kannte und meist flächig ohne Umschlag doublierte und neu aufspannte. Dadurch verkleinerte sich das ursprüngliche Format zumindest um den Umspann. Oft verloren Gemälde dadurch auch ihre originale Signatur, welche zumeist in den Randbereiche der Gemälde liegen. Beobachtungen der Mal- und Materialtechnik, vor allem an den Malkanten, sind dabei den Mitteln der Stilkritik objektiv überlegen.
Andererseits wurden Gemälde größer gemacht um sie großzügiger und nicht in einem zu eng bemessenen Rahmen zu präsentieren. Diese Variante der Manipulation der Originalgröße bezeichnet man mit Anstückung. Ob diese original ist oder von späterer Hand durchgeführt wurde, lässt sich zumeist nur durch die Mittel der Stilkritik, der Materialtechnik oder naturwissenschaftlichen Analysen feststellen.
Beide Maßnahmen sind natürlich heute keine gangbare Möglichkeiten mehr. Der Respekt vor dem Kunstwerk verbietet es so zu handeln.
Ist man heute überrascht über soviel Brutalität, so darf man nicht vergessen: in den zurückliegenden Jahrhunderten ging man recht nonchalant mit den Objekten um, selbst Thorvaldsen[3] schlug von den antiken Figuren des Aegineten-Frieses[4] in der Münchener Glyptothek Teile der originalen Skulpturen ab, um seine Ergänzungen mit möglichst geraden Ansatzstellen anzubringen. Die Ergänzungen des berühmten Bildhauers wurden nach dem Krieg wieder abgenommen. Es zeigt sich eindrücklich, dass das Fragment heute ehrlicher und auch „schöner“ empfunden wird als das „vervollständigte“ Kunstwerk.
Wir dürfen also wenn wir Gemälde in der Hand haben, die Summe der erfolgten Restaurierungen auch als Indiz für die Echtheit ansehen. Für wertvoll erachtete Bilder wurden oft behandelt und weisen also eine regelrechte Vita auf: „Habent sua fata pinaces“ – Bilder haben ihre Schicksale. Die zu verschiedenen Zeiten ausgeführten Maßnahmen spiegeln eine Geschichte der zu verschiedenen Zeiten gängigen „Restaurierungsmethoden“ wider, welche nach heutigen Vorstellungen eher Uminterpretationen darstellen.
Abb. 1. Verkleinertes Leinwand-Gemälde: Bemalte Areale befinden sich im Umschlag des Gemäldes. (Abb.: Autor)
Abb. 2. Anstückung eines Leinwand-Gemäldes die Anstückung befindet sich oberhalb des Kopfes der Dargestellten. (Abb.: Autor)
Abb. 3. Anstückung einer Holztafel: Detail: Oberhalb des Kopfes und des Wappens wurde horizontal angestückt. (Abb.: Autor)
Abb. 4. Anstückung einer Holztafel: Detail: Oberhalb des Wappens wurde horizontal ein angestückt. (Abb.: Autor)
Abb. 5. Historische Anstückung an einem Gemälde oben und unten (Mariä Heimsuchung, 16. Jh., Öl/Holz). Die angestückten Teile zeigen sich dunkler als der originale Teil des Gemäldes in der Mitte. Dieser war schon stark verdunkelt und verschmutzt als die Tafel in der damals vorgefundenen Farbigkeit ergänzt wurde. Als dann die erfolgte Firnisabnahme die originale Farbigkeit des Mittelteiles wiederherstellte, zeigten sich die Ergänzungen dunkler (Abb.: Autor)
Anmerkungen
[1] Jacob Jordaens: „Das Bohnenfest“, Bomann Museum, Celle Schloss besteht aus mehreren Leinwandstücken
[2] Diego Velazquez: „Prinz Balthasar zu Pferde“ ist oben gesamt horizontal mit Leinwandstreifen angestückt; „Die Schmiede des Vulkan“ hat an der gesamten linken Seite eine vertikal Anstückung.
[3] Thorvaldsen, Bertel (* 19. November 1770 in Kopenhagen; † 24. März 1844 ebd.) , dänischer Bildhauer. Sohn eines isländischen Holzschnitzers. Mit elf Jahren Schüler der Freischule der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen bei Nicolai Abraham Abildgaard. 1796–1803 Aufenthalt als Stipendiat in Rom. Anerkennung durch Georg Zoëga und Antonio Canova. 1805 berief dieKöniglich Dänische Kunstakademie in Kopenhagen Thorvaldsen zu einem ordentlichen Mitglied und noch im selben Jahr ehrte ihn die Kunstakademie in Bologna mit einer Ehrenmitgliedschaft. Aufträge von Napoléon Bonaparte. 1818 Professor der Modelklasse an der Akademie der Schönen Künste in Kopenhagen. Das Thorvaldsen-Museum Kopenhagen wurde 1846 eingeweiht und beherbergt im Innenhof das Grab Thovaldsens.
[4] In der Glyptothek in München befindet sich die Giebelgruppen der Ägineten vom Aphaiatempel (Ost- und Westgiebel) in Ägina. Über ein Jahrhundert waren sie mit den Ergänzungen nach einer Rekonstruktion Thorvaldsens in München aufgestellt. Thorvaldsens nachklassizistischen Vorstellungen erfolgte Ergänzungen wurden jedoch wieder entfernt, weil diese sich nicht archäologisch halten ließen.
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
paulbernhardeipper@gmail.com
Web: http://www.museum-joanneum.at/das-joanneum/unser-betrieb/ueber-das-joanneum/servicefunktionen/museumsservice/restaurierung/dipl-rest-dr-paul-bernhard-eipper.html
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