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Farbverunreinigungen

Dinge, die nicht in die Farbe gehören
 
In der Malschicht, oder besonders leicht sichtbar: in der obersten Farbschicht, finden sich manchmal Details, welche Anhaltspunkte zur Herstellung eines Bildes geben. Natürlich haben viele Maler ihren Farben bestimmte Zuschlagstoffe wie Streckmittel, Sand, Fasern, Metallflitter etc.  absichtlich beigegeben, um ihr Malmaterial für bestimmte Effekte zu modifizieren. Andere unbeabsichtigte „Zugaben“ auf ihren Gemälden haben viele Maler aber gar nicht bemerkt oder aber deren Vorhandensein war ihnen anscheinend einfach egal. Jedenfalls wurden sie nicht entfernt.  Und so finden aufmerksame Beobachter von Gemäldeoberflächen manchmal Dinge, die sie staunen lassen oder einfach erheitern. Ganz besonders spannend ist dieser Umstand bei Informationen, die Fälscher, die auf der Basis von Reproduktionen fälschen, nicht sehen oder nicht wissen, weil sie sie nicht bekommen haben oder nicht bekommen können.

Abb. 1: Pinselhaar in der frischen Farbe (Abb.: Autor)
 
Abb. 2: Fliege an einem Gemälde von Sigmar Polke (Abb.: Autor)
 
Abb. 3: Birkensamen an einem Gemälde von Sigmar Polke (Abb.: Autor)
 
Abb. 4: Zeitungsabdruck bei einem Bild von Paul Schad-Rossa (Abb.: Autor)

Erhaltene Einsprengsel geben uns Einblicke, wie und zu welcher Jahreszeit die Objekte entstanden sind: Den Pleinairisten in Südfrankreich fegte der Mistral die Bilder manchmal von der Staffelei herunter und so klebten Lavendelblüten, Gräser und Erde in der Farbe fest. Insekten wurde die klebrige Farbschicht zur tödlichen Falle (wie es Vincent van Gogh’s Olivenbäume, 1889, The Nelson-Atkins Museum of Art, Kansas City, mit einer Heuschrecke in der Farbe belegt). [1] Auch bei dem Großformat von Gustave Caillebottes „Trocknende Wäsche“ (132,5 x 178 cm) finden wir eine Blattknospe in der Farbschicht eingebettet. [2] Solche Belege für tatsächliche Freiluftmalerei gibt es nicht nur bei der Malweibern um 1900 in Bayern. Nahezu allen Malern im Freien ging es so, wie auch den Brücke-Malern, die an den Gestaden der Ostsee malten.
Billige Pinsel verloren Pinselhaare. Zeitungen und Folien ließen an zu frisch verpackten Gemälden Abdrücke an der Oberfläche zurück. Und Andy Warhols Werkstattkatze hinterließ ihre Pfotenabdrücke auf den frischen Siebdrucken. [3] Bei Sigmar Polke finden wir Birkensamen und Insekten in der Farbschicht, ein Beleg,  daß der Maler seine stark lösemittelhaltigen Farben draußen oder auch bei geöffnetem Fenster verarbeitete.
Bei Restaurierungsmaßnahmen sollten diese Mitbringsel aus der Werkstatt, Feld, Wald und Wiese nicht entfernt werden. Sie sind ein Indiz für den Werdegang eines Gemäldes und auch ein Echtheitsindiz.
 

Abb. 5: Noppenfolienabdruck (Abb.: Autor)
 
Anders verhält es sich bei Spuren von Verpackungsfehlern wie z. B. Abdrücken von Noppenfolie in der Farboberfläche. Falls möglich, sollten diese nicht werkimmanenten Spuren von einem Restaurator beseitigt werden.
Literatur:
Lewerentz, K., von Saint-George, C., Schaefer, I. & Portsteffen, H.: Forschungen zur Maltechnik des Impressionismus und Postimpressionismus. In: In & out. Projekte aus Forschung und Lehre Institut für Restaurierungs und Konservierungswissenschaft Köln. CICS 2006, S. 73-80
Anmerkungen
[1] “But just go and sit outdoors, painting on the spot itself! Then all sorts of things like the following happen – I must have picked up a good hundred flies and more off the 4 canvases that you’ll be getting, not to mention dust and sand…when one carries them across the heath and through hedgerows for a few hours, the odd branch or two scrapes across them…” Van Gogh Br. tan seinen Bruder Theo 1990: 522 | CL: 418, Nuenen, 14 July 1885,
http://vangoghletters.org/vg/letters/let515/letter.html
[2] Lewerentz, K., von Saint-George, C., Schaefer, I. & Portsteffen, H.: Forschungen zur Maltechnik des Impressionismus und Postimpressionismus. In: In & out. Projekte aus Forschung und Lehre Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft Köln. CICS 2006, S. 80
[3] Z. B. Andy Warhol: „Jackie”, 1965, Siebdruck