Pentimenti
Pentimenti
Schon immer haben Künstler ihre Gemälde während des Malprozesses optimiert und sich über ihre Vorzeichnung und ursprünglich beabsichtigte Ausführung hinweg gesetzt. Pentimenti auf Gemälden können als Echtheitsindiz gelten. Diese späteren Korrekturen belegen wie der Maler mit dem Sujet gerungen hat. Diese gedanklichen Leistungen finden sich bei Kopien oder Fälschungen in der Regel nicht und wenn dann belegen sie zumeist eine andere Handschrift als die des kopierten bzw. gefälschten Künstlers wodurch sie wiederum leichter als Kopien, oder Fälschungen zu entlarven sind.
Das Wort Pentimenti wird vom Italienischen Wort pentimento hergeleitet und bedeutet pentimento, „Reue“. Es ist eine Bezeichnung für die Spuren die erkennen lassen, dass während der Produktion Veränderungen am Bild vorgenommen wurden. Dies stellt eine durchaus nicht ungewöhnliche Arbeitsweise dar. Die Übermalungen werden aufgrund der zunehmenden Transparenz der Farbschichten im Laufe der Alterung erkennbar, man kann sie auch mit Hilfe von Röntgenuntersuchungen nachweisen. Sie stellen eine wesentliche Quelle für die Konservierungs-, Restaurierungs- und Kunstwissenschaften dar, indem sie den Arbeitsprozess eines Künstlers zeigen.[1]
In der Kunstgeschichte begegnen uns einige solcher Beispiele, so auch an Alter und Neuer Galerie am Universalmuseum Joanneum in Graz.
Bei dem Gemälde Giuseppe Passeris: „Maria in der Glorie mit Joachim und Anna“, Öl/Leinen, AG Inv.- Nr. 966, finden wir ein Pentimenti: der Flügel des Engels links zeigte ursprünglich in Richtung Blütenkranz. Der Maler veränderte durch Stellen des Flügels nachträglich die Komposition des Bildes. Durch die stärkere Farbdicke können wir die Umarbeitung heute sehen.
Bei Egon Schieles: Stadtende/Häuserbogen III, Öl/Leinen, NG Inv. Nr. I/466, liegen zwei Portraits unter dem heute sichtbaren Gemälde von 1918. Die Grundarchitektur des Gemäldes, ein „L“-förmiger Bogen, orientiert sich an den Armen des sitzend portraitierten Heinrich Benesch. Zuvor verwendete Schiel das Bild also hochkant, wie auch die durchgeschlagene Portraitskizze auf der Rückseite des Gemäldes zeigt. Bei diesem Gemälde kann man nicht nur von einem Pentimenti sprechen: unter der Stadtansicht liegen zwei Portraitskizzen. Das Gemälde bewegt sich mit diesem maltechnischen Aufbau durch die Portraits zwischen Weiterverwendung zweier verworfener Portraitskizzen, Pentimenti, Vorzeichnung und Übermalung zum bestehenden Bild.
Bei Maria Lassnigs Gemälde, „Vorschlag für eine Plastik“, Öl/Leinen, 1966/67, NG Inv.-Nr. 1533, befindet sich unter dem Gemälde ein teilverworfenes Weiteres. Bevor sie das Gemälde um 180° herumdrehte, versah sie die zu verwerfende Partie mit einem Malhinweis mit Kugelschreiber: „rote Figur wegnehmen“. Nach der Übermalung mit einer nicht ganz deckenden Farbe wurde dieser Gedächtnishinweis heute kopfüber sichtbar.
Pentimenti gewähren Einblicke in die Genese eines Werkes und auch in die Arbeitsweise eines Künstlers. Sie sind wichtige Indizien für den Entstehungsprozess eines Werkes und sollen nicht überretuschiert werden.
Abb.1: Giuseppe Passeri (AG Inv. Nr. 966): „Maria in der Glorie mit Joachim und Anna“. Detail mit einem Pentimenti: der Flügel des Engels links zeigte ursprünglich in Richtung Blütenkranz. (Abb.: Autor).
Abb. 2: Egon Schiele: „Stadtende/Häuserbogen III“, Öl/Leinen, NG Inv.-Nr. I/466 (Abb. Nicolas Lackner, UMJ).
Abb. 3: Egon Schiele, Detail aus „Stadtende/Häuserbogen III“, 1918, gekippt: Das Portrait Heinrich Beneschs wird sichtbar. (Abb. Nicolas Lackner, UMJ).
Abb. 4: Bei Maria Lassnig (1919-2014), „Vorschlag für eine Plastik“, Öl/Leinen, 1966/67, NG Inv.-Nr. 1533 (Abb.: Autor).
Abb. 5: Maria Lassnig, „Vorschlag für eine Plastik“, Detail mit Malhinweis der Künstlerin (heute kopfüber) mit Kugelschreiber: „rote Figur wegnehmen“ (Abb.: Autor).
Anmerkungen:
[1] Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Pentimenti
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
paulbernhardeipper@gmail.com
http://www.museum-joanneum.at/das-joanneum/unser-betrieb/ueber-das-joanneum/servicefunktionen/museumsservice/restaurierung/dipl-rest-dr-paul-bernhard-eipper.html