Malkanten
Malkanten
Im Zierrahmenfalz finden sich oft Hinweise verborgen, welche Anhaltspunkte nicht nur auf die ehem. Farbigkeit eines Gemäldes liefern, sondern auch Indizien zur Herstellung und zur Geschichte eines Bildes geben. Viele Maler haben ihre Gemälde im Rahmen fertig gemalt auf das Bild auf den Zierrahmen abzustimmen. Hier finden sich Informationen die der Fälscher nicht hat.
Aber auch Hinweise zur ehemaligen Farbigkeit finden sich dort. Die meisten Farben und Bindemittel verändern sich durch Klima und Lichtbelastung. Der Falz eines Zierrahmen schützt diese Kante und verbirgt dem Kopisten oder Fälscher wichtige Informationen. Der Kopisten oder Fälscher geht immer von der die Farbigkeit des jeweiligen Jetztzeitpunktes aus. Zur Entstehungszeit sah das Objekt aber zumeist anders aus.
Abb. 1: Cuno Amiet kopierte 1907 das Gemälde „Zwei Kinder“ von Vincent vanGoghs aus dem Jahre 1890. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Gemälde vanGoghs farblich verändert: Diese Verblassung kopierte Amiet mit. Zum heutigen Zeitpunkt aber hat sich das Gemälde vanGoghs noch weiter verändert: Cuno Amets mit stabileren Farben ausgeführte Kopie legt heute Zeugnis von der originaleren Farbigkeit des Gemäldes van Goghs ab (Abb. aus: Pohlmann, A. & Schäning, A.: „Flying Colours“, Lichtechtheitstests an Künstlerfarben im 18. und 19. Jahrhundert – und heute. In: Restauro (7), 2011, S. 21- 29)
Abb. 2: Johann Georg Platzer (1704–1761), Allegorie auf den Geschmack, Öl auf Kupfer, AG. Inv.-Nr. 855, 38,7 x 24,7 cm, Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum, Graz, Detail links unten (Abb.: Autor)
Eine erhaltene Malkante ist auch ein Indiz dafür, dass das Gemälde nicht beschnitten wurde, d.h. in seinen Ausmaßen nicht verändert wurde. Dies war bei früheren Restaurierungsmaßnahmen durchaus üblich; Man schnitt damals die Gemälde häufig einfachheitshalber vom Spannrahmen und verkleinerte sie dadurch beim Neuaufspannen, da man ja wieder Material für den Umspann benötigte.
Abb. 3: Carlo Innocenzo Carlone: „Verherrlichung eines Fürsten“, Öl/Leinen, AG Inv.-Nr. 576. Detail: die grundierte Leinwand wurde um die Malerei herum nicht bearbeitet. Malkante mit Pinselabstrich Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum, Graz (Abb. Autor)
Abb. 4: Ludwig Hans Fischer (1848–1915), „Garten vor dem königlichen Schloss Korfu“, 1888, Öl/Leinen, Österreichische Galerie Belvedere, Wien. Im Randbereich (Zierrahmenfalz) vom Maler stehen gelassene Grundierung und Vorzeichung. Der Maler hat das Bild im Rahmen fertiggemalt (Abb.: Autor).
Abb. 5 : Leopold Heinrich Voescher (1830–1877), „Landschaft aus dem oberen Etschtal“, um 1870, Öl/Holz, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz. Malkante rechts oben (Abb.: Autor).
Abb. 6: Paul Schad-Rossa (1862–1916), „Eden“, 1900, Mischtechnik auf Holz, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz. Der Maler hat das Bild im Rahmen zumindest fertig gemalt, worauf nach unten ablaufende, dunkle Farbe hinweist (Abb.: Autor).
Abb. 7: Friedrich Gauermann (1807-1862): „Eber, von Wölfen angefallen“, 1844, Öl/Eiche, NG Inv.-Nr. I/497, Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, vom Zierrahmen verdeckte originale Malkante des hölzernen Bildträgers (Abb.: Autor)
Hinweise zur originalen Oberfläche kann die vom Zierrahmen verdeckte Gemäldekante enthüllen: Bei manchen „Restaurierungsmaßnahmen“ wurde ein Bild, ohne es vorher auszurahmen, im Zierrahmen gefirnisst. Der Firnisauftrag auf diesen Gemälde erfolgte unter Berufung auf eine weit verbreitete „konservatorische Maßnahme“: In den letzten beiden Jahrhunderten ging man irrigerweise davon aus, dass Bilder mehrere Jahren nach ihrer Entstehung „genährt“ werden müssten, um eine Craquelé-Bildung zu vermeiden. Leider wird diese obsolete Praxis mitunter auch heute noch praktiziert, obwohl längst bekannt ist, dass Klimaschwankungen für die Craquelé-Bildung verantwortlich sind. Manche Restauratoren waren und sind leider bis heute auch beim „Reinigen“ besonders schnell: Sie applizier(t)en einfach auf eine originale, ungefirnisste, aber nach Jahren verschmutzte Oberfläche einen Firnis, zumeist ohne das Gemälde vorher aus dem Rahmen zu nehmen, und verkauf(t)en das Resultat als „ursprüngliche Frische der Oberfläche“. Leider wird auch bei dieser Maßnahme die künstlerische Ursprungsintention negiert. Liegt zwischen Auftrag des Firnisses und der Fertigstellung der Malerei viel Zeit, kann man davon ausgehen, dass der Firnis nicht historisch ist, also nicht von Künstler stammt. Glücklicherweise sind später aufgetragene Firnisse zumeist nachweisbar und in der Regel wieder zu entfernen.
Abb. 8: Norbertine von Bresslern-Roth: Tigerkatze, Öl/Leinen, um 1920, NG Inv.-Nr. 265, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz. Firnisauftrag im Zierrahmen auf ursprünglich ungefirnisster Malerei (Abb.: Autor).
Abb. 9: Firnisauftrag im Zierrahmen auf ursprünglich ungefirnisster Malerei (Abb.: Autor).
Dipl.-Rest. Dr. Paul-Bernhard Eipper
paulbernhardeipper@gmail.com
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