Zierrahmen
Bedeutung des Zierrahmens
Bedeutung des Zierrahmens
Der Zierrahmen dient nicht nur zur optischen Einfassung des Gemäldes und gleichzeitigem Schutz von dessen Kanten. Neben der Halterung für die Aufhängung und die Bleche für die Fixierung des Gemäldes finden sich auf ihm oft wichtige Angaben, wie rückseitige Beschriftungen, Stempel und Aufkleber für den Provenienzforscher. Darüber ist der Zierrahmen für das gerahmte Gemälde als unveräußerbarer Bestandteil des Kunstwerks anzusehen. Seit der Gotik ist allgemein anerkannt, dass die Rahmung zum Bild gehört und auch auf dieses abgestimmt ist.[1] So käme bei gotischen Bildtafeln heute niemand auf die Idee den Rahmen von der Tafel zu trennen.
Zwei Bildbeispiele von Malern, die ihre Werke noch im Zierrahmen fertigstellten:
August Deusser (18710-1942) in seinem Atelier um 1911, vor dem Gemälde Viadukt (Hügellandschaft mit Viadukt) um 1911, DBZ 296/WVD 100 im Zierrahmen (Am Boden Selbstbildnis um 1911) DBZ 11/WVD 99 (Abb.: Aus Drenker-Nagels: August Deusser, Wienand Verlag, Köln 1995, Umschlaginnenseite)
Valentin Serov (1865-1911) malt das Portrait von Isaak Levitan im Zierrahmen fertig, 1893 (Abb. Department of Manuscripts, Tretyakov Gallery, Moskau, in: Tretyakov Gallery Magazine (48) 2015, S.32)
Bei Leinwandgemälden verhält es sich in der Praxis aber leider oft gegenteilig. Manche Maler malen jedoch ihre Bilder im Rahmen fertig, weil sie bemüht sind beide Komponenten aufeinander abzustimmen. Deshalb stellen auch in diesen Fällen Rahmen und Gemälde jeweils eine Einheit dar und dürfen nicht getrennt werden. Nicht nur Vincent van Gogh[2] und James Abbott McNeill Whistler[3] gestalteten ihre Zierrahmen passend zum Bild und legten großen Wert darauf, dass die Rahmung als Bestandteil des Gemäldes anzusehen ist und nicht veräußerbar ist. Wenn aber Einrahmer aus lukrativen Gründen, schadhaft gewordene oder vom Eigentümer als unpassend empfundene Zierrahmen austauschen möchten, sollte diese Ansinnen unterbleiben. Es droht nicht nur ein Wertverlust, sondern auch eine Zerstörung der Einheit Rahmen und Gemälde, was die Authentizität der vom Künstler intendierten Gesamteinheit mindert. Im Falle schadhaft gewordener Zierrahmen ist ein Restaurator gefragt und nicht ein Einrahmer!
Hinweise auf im Rahmen fertig gestellter Gemälde liefern nicht nur Verklebungen von Rahmen und Malkanten des Gemäldes wenn diese zeitnah zusammengefügt wurden, sondern auch die im Falz verborgenen Malkanten. Werden solche Bilder ausgerahmt, sieht man an den Malkanten Belege für die Art des Malvorgangs: Im Falz können sich Reste festgeklebter Farbschichten aus der Zeit der Originaleinrahmung, die Aussage über die ursprüngliche Bildoberfläche geben können, finden.
Aber auch wenn die Maler erst nach der Vollendung einen Rahmen aussuchten, hat das ein Gewicht. Nolde rahmte seine Gemälde einheitlich mit schwarzen unprofilierten Plattenrahmen. Auch bei der Tiermalerin Norbertine von Bresslern-Roth haben sich selbst ausgesuchte, einfache, dezent profilierte bzw. Halbrundstab-Zierrahmen aus Holz erhalten. Die Profile variieren leicht, Halbrundstäbe wechseln zu etwas weniger massiv erscheinenden, an den Außenkanten eingefrästen oder nur gebrochenen Kanten. Die Rahmen sind handwerklich solide gefertigt. Die Aufhängungen sind in die Rahmenschenkel als Aussparungen zur Aufnahme der wandseitigen Haken integriert. Die verwendeten Naturhölzer wurden braun, rötlich braun oder schwarz eingefärbt und manchmal mit ungebleichtem bzw. rötlich eingefärbtem Schellack lackiert. Diese sind den Umständen entsprechend relativ gut und wenig überarbeitet erhalten. Daneben gibt es Rundholz-Zierrahmenleisten, welche die Künstlerin mit deckender Ölfarbe in verschiedenen bildverwandten Grautönen gestrichen hat.
Handelt es sich also um einen historischen Rahmen oder originalen Künstlerrahmen, hat der gesamte Rahmen (Vorder- und Rückseite) einen kulturhistorischen Wert. Jede Manipulation, wie neue Schraubenlöcher für eine verbesserte Einrahmung oder Aufhängung, aufgesetzte Leisten in Schenkelbreite des Rahmens, die Aufschriften überdecken und Provenienz-Aufkleber durchbohren, trägt zur Reduzierung der Rahmensubstanz bei und bedeutet Informationsverlust.
Nicht unerwähnt bleiben sollen noch die teils gravierenden, uminterpretierenden Auswirkungen von (Neu-) Rahmungen präsentierter Bilder in unseren Museen. Umso tragischer ist dort die heute immer noch anzutreffende Unsitte bei Kuratoren und Kunsthistorikern, Zierrahmen auszutauschen und durch geschmäcklerische Neurahmungen zu ersetzen. Auch wenn wir es aus zahllosen Kunstpublikationen gewohnt sind, Bilder immer ohne ihre Zierrahmen abgebildet zu sehen, bewegen wir uns mit dieser Praxis bereits nahe an der Zerstörung der Authentizität eines Kunstwerkes: ich möchte sogar soweit gehen und fragen, ob derartige Umrahmungen durch museale Kuratoren (ebenso wie falsche Rekonstruktionen durch Restauratoren) die Wahrnehmung der Originale verfälschen.
Abb. 1: Ludwig Hans Fischer (1848–1915), Garten vor dem königlichen Schloss Korfu, 1888, Öl/Leinen, Österreichische Galerie Belvedere, Wien, Inv.-Nr. VI/9. Im Randbereich (Zierrahmenfalz) vom Maler stehen gelassene Grundierung und Unterzeichnung. Der Maler hat das Bild im Rahmen fertiggemalt (Abb.: Autor).
Weitere Abb.: Eintrag
Malkanten
Abb. 2: Ölfarbe am Zierrahmen weist auf eine Fertigstellung des Gemäldes im Rahmen hin (Abb.: Autor).
Abb. 3: Rückseite eines Tafelgemäldes im Zierrahmen. Der Zierrahmen weist Löcher von früheren Befestigungen auf (Abb.: Autor).
Abb. 4: Durchbohrung eines gotischen Rahmens zur Aufnahme der Aufhängung (Abb.: Autor).
Abb. 5: Aufhängung an einem gotischen Rahmen (Abb.: Autor).
Abb. 6: Klebeaufhängung auf der Beschriftung des Künstlers (Abb.: Autor).
Abb. 7: Nach Abnahme der Klebeaufhängung sichtbare Beschriftung des Künstlers (Abb.: Autor).
Anmerkungen:
[1] Friedrich Schlegel (*10. März 1772 in Hannover; † 12. Januar 1829 in Dresden): "Jedes Kunstwerk bringt den Rahmen mit auf die Welt..." Fragmente zur Poesie und Literatur (Eichner, H., Hg.) Schöningh Verlag, Paderborn 1991, S. 1-639
[2] Vincent van Gogh (* 30. März 1853 in Groot-Zundert; † 29. Juli 1890 in Auvers-sur-Oise) niederländischer expressionistischer Maler
[3] James Abbott McNeill Whistler (10. Juli 1834 Lowell MA, USA – 17. 7.1903 London, GB) amerikanischer Maler